Natur, Ruhe, Ausblick, Anstrengung – es gibt viele Gründe, die mich in die Berge ziehen. Aber ich habe in den letzten Jahren während meiner vielen Wanderungen noch einen guten Grund gefunden, der mich immer wieder in die Höhe treibt: Begegnungen.
Vielleicht, weil es dort viele Gleichgesinnte gibt, vielleicht, weil man anders miteinander redet oder vielleicht deshalb, weil man einfach Zeit für gute Gespräche hat. Immer wieder treffe ich auf Menschen, die mich beeindrucken und die eine spannende Geschichte zu erzählen haben.
Nebelschwaden begleiten uns schon den ganzen Morgen auf unserer Bergtour. Alle 30 Sekunden ändert sich die Sichtweite. Als wir an einer Alm vorbeikommen, wollen wir schon fast wieder umdrehen. Aber es bleibt doch bei der Tour, die Gratwanderung verspricht eine tolle Aussicht. Wir bekommen sie auch immer wieder, zwischen all den Nebelspielen. Beim Zurückgehen lassen wir uns Zeit. Ein Gewitter ist in der Ferne zu hören.
Wir haben ein bisschen damit kalkuliert, wieder rechtzeitig an der Alm zu sein, wenn das Gewitter da ist. Das haben wir auch geschafft. Wir schauen uns den Himmel an, es grollt in der Ferne. Vielleicht schaffen wir es doch noch bis nach unten? Da ruft eine ältere Frau von hinten: „Ihr müsst euch beeilen, wenn ihr noch runter wollt. Wo müsst ihr hin?“ Als wir ihr unser Ziel erklären, sagt sie nur: „Bleibts da und wartets, bis es vorbei ist. Das wird nichts.“
Sie lädt uns herzlich ein, unter dem schützenden Dach dem Gewitter zuzuschauen, wie es sich in schnellem Tempo nähert. Ihr Enkel treibt die Kühe in den Stall. Dicke schwarze Wolken kommen näher, ziehen an uns vorüber. Es donnert laut.
„Bleibts da und wartets, bis es vorbei ist.
Das wird nichts.“
Wir unterhalten uns ein bisschen, wenn die Zeit da ist und sich die Bäuerin nicht um die Kühe kümmern muss. Nur im Sommer seien sie hier oben, mit den Kühen zusammen. Eigentlich nur zwei bis drei Monate. Länger lohnt es sich nicht und länger müssten die Kühe auch nicht oben bleiben. Ich bin überrascht, dass die Zeit so kurz ist, die sie hier oben verbringen. Meine romantische Vorstellung eines Almbauern, der die meiste Zeit in den Bergen verbringt wurde etwas ernüchtert. Die Kühe wollen nicht recht in den Stall, der Enkel ist sauer.
Die alte Almbäuerin lacht, sagt, „wenn sie nicht wollen, dann sollens draußen bleiben!“
Kühe halten Hagel ganz gut aus, zumindest die kleineren Körner, erklärt sie uns. Das Fell der Kühe sei dick genug. Fast scheint es, als ziehe das Gewitter ohne großen Schaden vorbei. Doch dann fängt der Hagel doch noch an. Die Almbäurin bittet uns ins Haus, ihr Mann und ihr Enkel kommen nun auch dazu.
Wir sehen, dass die Stube direkt an den Stall grenzt. Das Wohnzimmer ist der Stall. Die Hütte ist klein, ein Wohnbereich mit ein paar Schlafgelegenheiten, eine Küche, eine Speisekammer. Die Tür in den Stall hat ein Fenster – alternatives Fernsehprogramm. Die Frau bietet uns was zu Trinken an, wir reden über das Leben auf der Alm, wann das Haus gebaut wurde, warum die Kühe am Schwanz angebunden werden. Draußen klopfen die Hagelkörner laut an die Fensterscheiben. An der Tür fallen ein paar Körner herein.
Die Bäuerin nimmt ein Hagelkorn, gibt es ihrem Enkel, er soll es ins Weihwasser geben, damit sie vor größeren Schäden bewahrt werden. An den Wänden hängen Familienbilder, Ikonen, ein Kreuz. An der Hütte wurde viel selbst gemacht, die Tür zur Speisekammer hat ein beschwerendes Gewicht, damit sie sich selbst schließt. Marke Eigenarbeit. Der Kinder haben sich das ausgedacht.
Ihr Mann ist eher still, in sich gekehrt, aber trotzdem sehr herzlich. Er kennt das Wetter, kennt seine Kühe.
Man hat das Gefühl, er macht das schon immer so, seit er so alt ist wie sein Enkel jetzt. Gemeinsam warten wir, bis das Gewitter vorüber ist. Der Hagel lässt nach, alles ist so, als wäre nichts gewesen. Nur die Hagelkörner haben den Boden mit einer kleinen weißen Schicht überzogen. Wir machen uns wieder auf, wollen die Gastfreundschaft nicht zu lange strapazieren. Wir verabschieden uns, sagen Danke. Die Frau steht in der Tür, lacht und winkt uns hinterher, als ob wir uns schon lange kennen.
So schnell fühlt man sich heimisch, ein herzliches Gespräch in der Stube, nur ein paar Minuten lang. Eine lange Erinnerung für mich, die ich mit nach Hause nehme. Dort oben gibt es nicht viel – nicht einmal Trinkwasser. Den Leuten geht es deshalb nicht schlecht. Sie hatten sehr zufriedene Gesichter. Vielleicht gerade deswegen.
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