Der GR20 gilt als schwerster Fernwanderweg Europas. Wir beantworten euch die wichtigsten Fragen.
Die Strecke
Der GR20 verfolgt den Hauptkamm der korsischen Alpen von Nord-West nach Süd-Ost. In insgesamt 19 Etappen geht der Weg von Calenzana nähe Calvi nach Conca oberhalb von Porto Vecchio. Täglich sind Etappen zwischen 5,5 und 10,5 Stunden mit maximal 1.400 Höhenmetern Aufstieg in Fels und Geröll, über abschüssige Felsstufen und teilweise auch Kletterpassagen im 1. Grad zu meistern.
Die Tour lässt sich nur an einigen wenigen Stellen mit dem Auto (Haut Asco, am Col de Verghio, in Vizzavona, am Col de Bavella) oder mit dem Zug (Vizzavona) erreichen.
Die meisten Bergsteiger teilen die Strecke in zwei Touren auf: 1. von Calenzana nach Vizzavona und 2. von Vizzavona nach Conca. Die Strecke lässt sich sowohl süd- als auch nordwärts meistern.
Wir haben unseren eigenen Weg von Calenzana nach Corte geplant, der anfangs dem GR20 und dann dem Fernwanderweg „Mare e Monti“ folgt und den alpinsten Teil des GR20 mit einem gut mit dem Auto und Zug zu erreichenden Start- und Zielpunkt verbindet.
Schwierigkeit
Der GR20 gilt als schwerster der europäischen Fernwanderwege.
Wer in den Alpen bereits Wege wie den E5 von Oberstdorf nach Meran gegangen ist, hat an sich das notwendige Rüstzeug für eine Wanderung auf dem GR20. Es gibt drei Faktoren, die den Unterschied machen:
1. Das Gelände:
Der GR20 verläuft größtenteils in Fels und Geröll und beinhaltet einige Kletterstellen. Dazu kommen oftmals rutschige und abschüssige Felsstufen, die überwunden werden müssen. Hier ist Erfahrung, absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit und gutes Wetter vonnöten. Der Weg fordert mehr den gestandenen Bergsteiger als den Wanderer. Auch die Wegfindung ist nicht immer einfach: Der Weg ist zwar eigentlich gut markiert, von einer Markierung durch die Felsen zur nächsten aber mitunter nicht ganz ersichtlich und erfordert Erfahrung.
2. Die Länge:
Mehrere Tage hintereinander jeweils 1.000 bis 1.400 Höhenmeter Auf- und Abstieg über Fels und Geröll bei absoluter Konzentration fordern ihren Tribut.
3. Die Unterkünfte:
Die Refuges bieten allenthalben Minimal-Versorgung und sind keineswegs mit den Alpenvereinshütten in Deutschland, Österreich oder Italien zu vergleichen – eher mit einer Winterraum-Übernachtung auf einer Selbstversorgerhütte. Leider sind einige Hütten von Bettwanzen befallen und praktisch unbewohnbar. Zur nächsten Wandersaison werden wohl einige Hütten renoviert.
Die alte Route: Cirque de la Solitude
Das bisherige Highlight des GR20, der „Cirque de la Solitude“ – ein Felskessel, in den an Stahlketten ab- und wieder aufgestiegen werden musste – ist seit letztem Jahr nach einem Felssturz mit drei Toten und mehreren Verletzten gesperrt. Der Cirque ist seitdem kein offizieller Teil des GR20 mehr. Die Markierungen wurden entfernt. Die Route kann mit eigener Absicherung wieder begangen werden, wird aber nicht empfohlen.
Die neue offizielle Route führt nun über den Pointe des Ebolis 100 Höhenmeter unterhalb des Monte Cinto Gipfels. Die Strecke wird dadurch sogar etwas länger und schwieriger.
Neue Route: Monte Cinto
Durch die Sperrung der Route durch den „Cirque de la Solitude“ geht die neue GR20-Route über die westliche Schulter des Monte Cinto, mit 2.700 Höhenmetern der höchste Berg Korsikas.
Diese neue Route wird mit 5,5 Stunden Auf- und 4 Stunden Abstieg berechnet und führt nun über den „Pointe des Ebolis“ 100 Höhenmeter unterhalb des Monte Cinto-Gipfels. Wer den Gipfel noch mitnehmen möchte, muss nochmal in etwa 1,5 Stunden Auf- und Abstieg dazu addieren, kann sein Gepäck aber am „Pointe des Ebolis“ lassen.
Wer abkürzen will, kann vom Monte Cinto direkt auf einem nur schlecht per Steinmännchen markierten Weg in Richtung Lozzi und zur unbewirtschafteten Ercu-Hütte absteigen (4h). Von hier dann weiter nach Lozzi (+2h) und Calacuccia (+1h).
Die beste Zeit
Der GR20 ist generell zwischen Mitte Juni und Mitte Oktober einigermaßen schneefrei zu begehen. Zu dieser Zeit sind auch die Hütten, französisch „Refuges“, geöffnet und bewartet. Im April/Mai und Oktober/November ist noch/bereits mit Schnee zu rechnen.
Bei schlechtem Wetter/Regen werden Teile des GR20 unpassierbar (abschüssige Felsriegel/Rampen). Hier sollte man dann auf die weniger hoch gelegenen Fernwanderwege wie den „mare et monti“ oder den „mare a mare“ ausweichen. Diese erreichen maximal ca. 1.500 Meter Höhe, führen dafür teilweise direkter an der Küste oder den korsischen Bächen entlang und bieten somit mehr Bademöglichkeiten als der GR20. Diese sind auch schon früher im Jahr und bis weit in den Herbst begehbar.
Zeitangaben in den Reiseführern
Die Zeitangaben in den Reiseführern (Korsika GR20 aus dem Bergverlag Rother) waren bei uns (Gruppe mit 5 Personen) zutreffend (zzgl. Pausen). Die an den Hütten angegebenen Zeiten schaffen wohl nur fitte Trailrunner oder korsische Bergziegen.
Ausrüstung
Neben der üblichen Ausrüstung (Wanderschuh, Shirt, Hose, Socken, Softshell, Hardshell, Trekkingstöcke, Erste Hilfe-Paket, Biwaksack, Verpflegung, Wasser) sollte man Zelt, Schlafsack und Isomatte sowie einen kleinen Gaskocher einpacken. Viele der Hütten sind leider von Bettwanzen geplagt, deshalb sollte man von vornherein mit Übernachtungen im Zelt planen. Es gibt zwar auch Leihzelte unterwegs, ich würde aber mein eigenes Zelt bevorzugen. Hier zu unserer ausführlichen Ausrüstungsliste…
Als Rucksack hatten wir einen handelsüblichen Trekkingrucksack dabei, ich würde aber eher einen Alpinrucksack wie den Deuter Guide, Salewa Guide, LoweAlpine Mountain Attack, etc. empfehlen. Da am GR20 viele Kletterstellen zu überwinden und engere Felsstellen zu durchschreiten sind, ist ein schmal geschnittener Rucksack von Vorteil.
Schuhwerk
Unterwegs auf dem GR20 sieht man vom steigeisenfesten Bergschuh bis zum Trailrunner eigentlich alles. Je nachdem mit was man sich wohl fühlt und was man eingelaufen hat, würde ich einen nicht allzu schweren, aber knöchelhohen Wanderschuh empfehlen. Ich persönlich war mit dem adidas Terrex Fast R GTX unterwegs, den ich auch schon am E5 genutzt habe.
Anreise
Die Anreise erfolgt entweder mit dem Auto und Fähre ab Livorno/Savona oder per Flugzeug.
Mit dem Auto: Über Österreich/Brenner oder über Bodensee/Chur/San Bernardino/Mailand nach Livorno oder Savona. Dann mit der Fähre nach Bastia. Über Ponte Lecchia nach Calvi oder direkt nach Calenzana.
Das Ende des GR20 liegt in Conca an der südlichen Ostküste. Conca ist von Porto Vecchio täglich per Bus erreichbar.
Wenn man mit einem (oder mehreren) Autos unterwegs ist, stellt man dieses am besten in Porto Vecchio oder bei einem kürzeren Strecke in Haut Asco, am Col de Verghio, in Vizzavona oder am Col de Bavella oder in Corte ab. Zugverbindungen gibt es von Vizzavona und Corte zurück nach Calvi. Calvi und Calenzana verbindet eine tägliche Busverbindung.
Mit dem Flugzeug: Linienflüge direkt ab Deutschland von München nach Bastia (Lufthansa) oder Köln (Germanwings), sonst Flüge mit Zwischenstopp über Paris oder Nizza. Mit Zug und Bus nach Calvi/Calenzana oder Porto Vecchio/Conca. Teilweise braucht man ein Taxi um den Startpunkt zu erreiche oder vom Endpunkt die nächste größere Stadt zu erreichen.
Parken
Das Parken auf Korsika ist größtenteils ungefährlich. Trotzdem kommt es vor allem im Landesinneren immer wieder einmal zu Tätlichkeiten an fremden Fahrzeugen, die einfach an Bahnhöfen, Einfahrten oder nicht-öffentlichen Parkplätzen abgestellt werden. In Calenzana kann man sein Auto unterhalb der Kirche (nicht direkt an der Kirche und auch nicht am Marktplatz am Rathaus!) für mehrere Tage abstellen. Hier gab es bisher keine Vorkommnisse. Sonst kann man sein Auto auch gegen eine Gebühr auf Campingplätzen für die Dauer der Wanderung abstellen.
Für unser Tour von Calenzana nach Corte haben wir ein Auto unterhalb der Kirche in Calenzana und das andere in Corte am Camping „Chez Bartho“ abgestellt.
Unterkünfte
Etwas komfortablere Unterkünfte sind die Gite d’etappes in Calenzana, Calacuccia und Corte. Sonst bieten die Refuges (Hütten) auf dem Weg ein Dach über dem Kopf. Diese müssen auf der Internetseite des Nationalparks online vorgebucht werden (12€ pro Nacht). Biwakieren ist nur an den Refuges (Hütten) erlaubt und kostenpflichtig (6€ pro Person/Nacht). Man kann auch Zelte an den Refuges mieten, das sind ganz einfache Quechua-Zelte, die aber zumeist an den besten Zeltplätzen stehen (6€ pro Person/Nacht zusätzlich zum Nächtigungstarif!).
Wer den gesamten GR20 geht, findet in den Hütten unterwegs Unterkunft. In Haut Asco, am Col de Verghio, in Vizzavona, am Col de Bavella gibt es die Möglichkeit, in einfachen Wanderer-Unterkünften (Gites) oder auch in Hotels zu übernachten.
Achtung: Viele der Refuges haben Bettwanzen! Wir empfehlen dementsprechend die durchgängige Übernachtung im eigenen Zelt!
Körperhygiene
Wer täglich eine heiße Dusche benötigt, für den ist der GR20 nichts. Die Refuges haben zumeist kalte Duschen oder gar keine. Die Klos reichen von der Ausbaustufe Plumpsklo bis hin zur modernen Komposttoilette mit Förderband für die festen Bestandteile der alltäglichen Ausscheidungen.
In Haut Asco, am Col de Verghio, in Vizzavona, am Col de Bavella gibt es Hotels mit mehr Komfort (Dusche und eigenes Klo mit Klopapier ;-)
Verpflegung
Die Hütten bieten während der Saison (Juni bis Anfang Oktober) normalerweise ein einfaches Menü (20€) mit Suppe, Nudeln und einer kleinen Nachspeise (zumeist komische Kekse). Oftmals gibt es auch Couscous und ein Stück Brot für 6€. Bier (~6€) und Wein(~10€) gibt es auf einzelnen Hütten, aber nicht auf allen!
Wer den gesamten GR20 geht, sollte einen Großteil seiner Verpflegung selbst mitnehmen. Alle drei bis vier Tage gibt es die Möglichkeit, seine Vorräte aufzustocken: In Haut Asco, am Col de Verghio, in Vizzavona, am Col de Bavella gibt es Hotels, die auch Verpflegung für unterwegs verkaufen. Sonst bleibt nur der Abstieg in eines der Dörfer abseits des GR20 (bei entsprechendem Zeitverlust von ca. einem Wandertag!).
Geldautomaten gibt es übrigens auf der kompletten Strecke des GR20 nicht! Entsprechend Bargeld einplanen und mitnehmen!
Kürzt man vom Monte Cinto über die Ercu-Hütte, Lozzi und Calacuccia nach Corte ab, kann man sich auch in Lozzi und Calacuccia mit frischen Lebensmitteln eindecken.
Strom
In den Refuges gibt es normalerweise keine Steckdosen. Teilweise gibt es abends nicht mal ausreichend Solarstrom für die abendliche Beleuchtung des Gemeinschaftsraumes. Für den Betrieb von Handy, Foto und Co. sollte man deshalb einen zusätzlichen Akkupack dabei haben, in den Gîtes und Hotels gibt’s Strom zum Nachladen.
Literatur
Wir waren mit dem Korsika GR20-Führer vom Bergverlag Rotherund dem OutoorHandbuch Transkorsika: GR 20 unterwegs. Diese haben uns gut geführt. Zusätzlich hatten wir noch französische IGN-Wanderkarten im Format 1:25.000 im Gepäck. Ein GPS hatten wir nicht dabei. Hilfreich wäre aber ein Höhenmesser gewesen.
Für die von uns gewählte Route über den Monte Cinto mit Abstieg nach Lozzi würde ich ein GPS mit geladenem Track der Route empfehlen. Der Einstieg in die Abstiegsroute ist von oben kommend nur schwer zu erkennen, hier weist nur ein entferntes Steinmännchen den Weg nach unten. Obwohl ich den Weg bereits aus dem Vorjahr beim Auf- und Abstieg auf den Monte Cinto kannte, war keine der bisherigen Markierungen mehr vorhanden und der Einstieg komplett durch einen Felssturz verändert.
Fazit
Der GR20 ist ein genialer Fernwanderweg für alle erfahrenen, trittsicheren und schwindelfreien Fernwanderer. Er bietet Aussichten auf Kaskaden an Bergketten, aber vor Allem auf das Mittelmeer.
Der Weg erfordert aber durchaus Kondition, Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.
Korsika an sich verbindet französisches Savoir-Vivre, super Bademöglichkeiten mit direktem Blick auf die bis zu 2.700 Höhenmeter hohen Berge, die direkt am Meer in die Höhe ragen. Das alles geprägt von rotem Fels, durchsetzt von den grünen Büschen der duftenden Macchia-Heide. Einfach genial…
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