Wie werde ich ein besserer Bergsteiger? Teil I

Ein Interview mit Erika, besser bekannt als „Ulligunde“ vom Alpin-Blog ulligunde.com, über den Weg vom Wanderer zum Bergsteiger zum Kletterer.

Veröffentlicht am Kategorisiert in Berge, Besser Bergsteigen, Interviews, Klettern, Klettersteig, Wandern

Ein Interview mit Erika, besser bekannt als „Ulligunde“ vom Alpin-Blog ulligunde.com, über den Weg vom Wanderer zum Bergsteiger zum Kletterer.

Hallo Erika, Danke, dass du dir heute für uns Zeit nimmst.

Wie man in deinem Blog „ulligunde.com“ verfolgen kann, hast du in den letzten Jahren in Sachen Bergsteigen und Klettern große Schritte gemacht. Vom Wandern und Bergsteigen hin zum Klettern in schwierigen Routen.

Was treibt dich eigentlich an?

Erika: Ui, gleich so eine knifflige Frage am Anfang. Es ist natürlich einerseits die Suche nach Momenten, die im Kopf bleiben und von denen man noch lange zehrt. Es ist die Zeit draußen, in der man die verschiedenen Schauspiele der Natur (Gewitter, Sonnenaufgang, schöne Landschaften) bestaunen kann.

Es ist der Wille, besser zu werden und Routine in vielen Situation zu bekommen. Es ist aber auch die Suche nach der „Grenze“ – wie viel kann ich eigentlich? Bin ich dieser Tour gewachsen? Schaffe ich das? All die Facetten reizen mich.

Als Allgäuerin und Kind vom Bodensee bist du den Bergen ja schon recht nah, wie kamst du eigentlich zum Wandern, Bergsteigen und Klettern?

Erika: Wenn wir damals mit meinen Eltern und Brüdern nicht gerade mit dem Segelschiff irgendwo unterwegs waren, dann gingen wir in die Berge. Sommers wie Winters, mal auf Hütten, mal nur auf Tagestouren. Während der Pubertät war das alles natürlich furchtbar uninteressant, im Studium hier im Allgäu entdeckte ich die Berge dann für mich wieder neu.

Wie sah deine „Ausbildung“ aus? Bist du kompletter „Autodidakt“ oder hast du Kurse besucht? Welche Kurse wären aus deiner Sicht sinnvoll?

Erika: Ich selbst hatte immer das Glück, dass ich Menschen hatte, die mich einfach mal mitnahmen, auch wenn es manchmal Jahre dauerte, die richtigen kennenzulernen. Eisklettern zum Beispiel faszinierte mich seit ich mit Klettern angefangen hatte, aber erst diesen Winter hat es wirklich geklappt. Das wäre mit einem Kurs natürlich schneller gegangen, aber andererseits habe ich einfach auf die Chance gewartet – und letztendlich kam sie dann ja auch.
Im Grunde sind aber alle Kurse wertvoll, auch für alte Hasen, die meinen, eh schon alles zu können. Einerseits ist es wichtig, sich mit dem Material, der Wetterkunde und guter Planung zu beschäftigen, aber andererseits ist es genauso wichtig, in brenzligen Situationen richtig handeln zu können.

Es sind so viele Menschen in alpinen Klettertouren unterwegs, aber die wenigstens wüssten, wie sie einen verletzten Nachsteiger zurück zum Stand ablassen können, wie sie gemeinsam mit ihm abseilen oder wie man einen Flaschenzug aufbaut. Kurse sind also immer gut.

Erika Spengler klettert Guildomanie (9-/9) am Rottachberg im Allgäu

In den letzten zwei Jahren hast du große Schritte gemacht, was war der Auslöser? Was hat sich in deinem „Training“ und deiner Herangehensweise geändert?

Erika:Der größte Auslöser war wohl ein neuer Kletterpartner, der mir eine ganz neue, unbeschwerte Herangehensweise an das Thema „Schwierigkeitsgrade“ und „Sturzangst“ vermittelt hat. Er schaut einfach mal in Touren rein, er lässt sich nicht von Zahlen abschrecken und bildet sich einfach selbst eine Meinung.

In deinem Blog hast du vor kurzem eine Serie zum Thema Angst und Angstbewältigung gepostet. Welchen Stellenwert hat Angst in deiner Weiterentwicklung? Was machst du, um deine Angst bzw. Ängste zu bewältigen?

Erika:Ich habe im letzten Jahr gemerkt, dass mich vor allem der Kopf limitiert, nicht unbedingt fehlende Kraft. Deshalb habe ich nach Lösungen gesucht und trainiere dieses Jahr ganz speziell die Sturzangst. An guten Tagen klettere ich so fast einen Grad stärker. Was dieses „Angst-Training“ alles beinhaltet, das findet sich in der Artikelreihe.

Ganz grob beinhaltet aber mein Training einerseits viel Sturztraining, andererseits Konzentrationsübungen, sodass ich die bremsenden Gedanken (wie weit ist der letzte Haken weg? Der nächste Griff sieht schlecht aus! Wenn ich jetzt falle, dann…!) zumindest beim Sportklettern ausblenden kann. Daran arbeite ich aber noch ;-)

Was würdest du einem Wanderer auf dem Weg zum Bergsteiger als Tipp mit auf den Weg geben? Wie wird man ein besserer Bergsteiger?

Erika: Mit Geduld und Besonnenheit.

Man wird besser, je öfter man etwas macht – und zwar etwas, das innerhalb oder nur ganz wenig außerhalb der Komfortzone liegt. Wenn man es übertreibt und gleich was viel zu Schweres unternimmt, brennt sich das in den Kopf ein.

Mal davon abgesehen, dass es einfach gefährlich ist. Die Berge laufen nicht weg, man muss nichts von der Stange brechen oder es bei miesen Bedingungen probieren, bloß weil man jetzt aber doch da ist. Diese Gelassenheit muss man aber erst lernen.

Das ist natürlich leichter gesagt, wenn man nah an den Bergen wohnt. Aber auch wenn das Bergsteigen großartig ist, ist es dennoch nicht wert, sein Leben zu riskieren, egal wie weit man jetzt für diese Tour hergefahren ist.

Welche Touren sollte man auf dem Weg zum Bergsteiger und Hochtouristen unbedingt mal gemacht haben?

Erika:Das kommt auf das eigene Niveau an. Ich selbst habe mich lange vor der Tour auf den Zinken/Sorgschrofen gefürchtet, ein ganz kleiner Felsgipfel hier im Tannheimer Tal. Für mich war das damals schon eine echte Herausforderung und ein wichtiger Schritt in Richtung „Bergsteiger“.

Eine schöne, hohe Bergtour ist zum Beispiel der Hohe Riffler vom Zillertal aus, oder auch ganz klassisch der schöne Hochvogel bei uns im Allgäu. Das Rheinwaldhorn ist gletschertechnisch meist unkritisch und auch eine schöne Anfänger-Hochtour.

Und wer schon ein wenig Klettern mag, der sollte sich mal die Olperer-Überschreitung ansehen.

Du machst ja auch beim Klettern enorme Fortschritte, wieviel trainierst du? Worauf legst du im Training deinen Fokus?

Erika: Wenn denn mal das Wetter gut ist, dann sind wir schon drei bis sechs Tage pro Woche am Fels – am Wochenende häufig alpin, unter der Woche am heimischen Rottachberg zum Sportklettern.

Momentan komme ich aber wenig dazu, das merke ich nicht nur an der nachlassenden Kraft, sondern vor allem am Kopf, der gerade wieder deutlich mehr Probleme macht als noch im Winter, wo ich viel zum Klettern kam.

Aber auch hier ist es ja so, dass die Felsen nicht weglaufen. So klettere ich eben gerade einen halben Grad weniger schwer, aber egal, Hauptsache draußen mit netten Menschen.

Was würdest du Kletter-Einsteigern empfehlen, um ein besserer Kletterer zu werden?

Erika: Neben dem klassischen Tipp, einfach viel klettern zu gehen, empfehle ich ganz dringend Sturztraining – und zwar nicht nur für den Kletterer, sondern vor allem für den Sicherer.

Es ist haarsträubend, was man da an Sicherungsfehlern sieht. Ich meine, hallo! Du hältst gerade das Leben deines Seilpartners in der Hand! Die Augen gehören zum Kletterer, die Gedanken ebenfalls. Man muss ganz exakt wissen, wie das Gerät zu bedienen ist und zwar nicht nur in der Theorie, sondern eben auch in der Praxis. Denn wenn Dir da oben jemand mit 80 Kilo einen Meter überm Haken ins Seil saust, dann zieht es gerade uns leichteren Sicherer mächtig gegen die Wand.

Das ist nicht schlimm, aber es braucht Übung. Und andersrum ebenfalls. Wenn der schwere Sicherungspartner einfach nur unten steht wie ein Anker, dann stürzt man zwar vielleicht nicht ab, aber schlägt hart in die Wand ein. Weiches, dynamisches Sichern ist da das Schlüsselwort.

Und auch das flinke Seilausgeben muss geübt werden, denn nichts nervt mehr, als wenn man gerade am Limit unterwegs ist und man beim Klippen kein Seil bekommt, weil der unten entweder gerade träumt oder überfordert ist mit seinem Gerät. Und das bessere Klettern kommt von ganz allein, wenn man öfter geht.

Ein Großteil der Weiterentwicklung beim Bergsteigen und Klettern liegt ja auch an den Kletterpartnern mit denen man unterwegs ist. Wo/Wie findet man einen „Kletterpartner“, mit dem man wachsen kann?

Erika: Ich habe einige wertvolle Alpinpartner ganz klassisch über Facebook gefunden – allerdings über eine Gruppe ausschließlich für Mädels, weil wo anders häufig nicht ganz klar ist, welche Art Partner da gerade gesucht wird. Aber grundsätzlich ist das eine schöne Möglichkeit – man bekommt einen ersten Eindruck, kann vorher schon mal etwas quatschen und dann, wenn es „online“ passt, es auch am Fels mal ausprobieren.

Aktuell machst du ja eine Ausbildung zum DAV-Übungsleiter Alpinklettern, wie läuft die Ausbildung ab, was lernst du da? Was sind deine Beweggründe hinter der Ausbildung?

Erika: Der wichtigste Beweggrund war, dass ich all mein „Wissen“ noch einmal von einem Bergführer bestätigt haben wollte. Man hat oft eine vage Erfahrung, wie dies und jenes geht, aber in der Ausbildung lernt man nochmal alles von Grund auf und nach aktueller Lehrmeinung. Und natürlich reizt mich die Idee, anderen es zu ermöglichen, auch mal Alpinklettern zu gehen und an Orte zu kommen, an die sie alleine wohl eher nicht hinkämen. Das ist etwas, das ich im Privaten äußerst selten mache.

Die Ausbildung ist in drei Blöcke geteilt. Der erste Block fokussiert sich auf Fels, der zweite auf Schnee und Eis und der dritte dann speziell aufs Alpinklettern. Insgesamt dauert die Ausbildung ca. einen Monat.

Selbständig als Bloggerin,Texterin und Fotografin, die Ausbildung zu, DAV-Übungsleiter Alpinklettern, was kommt als nächstes? Sehen wir dich dann demnächst dann in der Bergführer-Ausbildung?

Erika: Die Bergführerausbildung habe ich nicht auf dem Plan, nein. Ich fahre nicht sonderlich gut Ski, klettere alpin nicht so sicher, als dass ich Gäste routiniert führen könnte und noch dazu fühle ich mich in Zweier-Dreier-Gelände extrem unwohl. Nein, ich konzentriere mich lieber aufs Schreiben und Fotografieren ;-)

Danke für die Zeit, die du dir für uns genommen hast. Wir hoffen, dass wir noch viele deiner Tourenberichte in deinem Blog lesen dürfen… Was ist denn dein nächstes großes Ziel?

Erika: Ein nächstes großes Ziel ist momentan noch nicht geplant. Die Aktion an der Großen Zinne war ein echtes Abenteuer, davon zehre ich momentan noch. Im Positiven wie auch im Negativen, denn nach dem Griffausbruch bin ich doch etwas verängstigt beim Klettern. Ich brauche eine kleine Pause, um neue Motivation zu schöpfen. Jetzt steht erstmal gemütliches Sportklettern mit meinem Freund und einige Job-Projekte an. Und dann mal sehen! Grundschartner Nordkante, Finsteraarhorn, was in Chamonix… Es gibt viele Punkte auf der Wunschliste ;-)

Bilder: Erika Spengler, ulligunde.com, Christian Seitz, Vaude, Moritz Attenberger

Von Thomas

Schon von klein auf viel in den Bergen unterwegs sind Wandern, Skitouren, Schneeschuhwanderungen und alles rund um die Berge meine Hobbies. Vater von zwei nicht mehr ganz so kleinen Bergfexen und sozusagen der „Chef“ von mehr-berge.de ;-)