Der Sentiero della Pace – oder Deutsch: Der Friedensweg – ist ein Fernwanderweg, der in 45 Etappen vom Vinschgau in die Dolomiten führt. Romy Robst vom Outdoor-Blog Etappen-wandern.de hat sich letztes Jahr den An- und Herausforderungen gestellt und ist mit Hund den Spuren des Ersten Weltkriegs gefolgt. Wir haben Sie in einem kurzen Interview zu ihren Erfahrungen zum Sentiero della Pace und über das Wandern mit Hund befragt.
Hallo Romy, stell dich doch einfach mal kurz vor…
Romy: In Kurzform: Bergziege mit Vorliebe für besondere Herausforderungen. Und etwas länger: 38 Jahre-alte bergliebende Flachländerin, die mit Hund am liebsten in den Alpen und dort am liebsten hoch unterwegs ist. Seit zwei Jahren betreibe ich den Wanderblog Etappen-wandern.de, in dem ich über meine Weitwanderungen und Hüttentouren berichte und sie so aufbereite, dass man sie problemlos nachwandern kann. Ich möchte inspirieren und andere animieren, sich ihre Weitwanderwünsche zu erfüllen. Seit kurzem auch als Wanderbuchautorin für den Rother Bergverlag.
Du kommst aus Hannover, also nicht gerade aus den Bergen, wie kamst du zum Wandern?
Romy: Ja, meine Wahlheimat – ein kleines 500-Seelen-Dorf – ist nicht unbedingt bekannt für die hohen Berge. Ich meine der höchste ist 38 Meter. Und bis vor einigen Jahren mochte ich das Wandern eigentlich überhaupt nicht. Besser wurde es, als Lotte, meine Hündin, zu uns kam, da habe ich mich zumindest mal ein bisschen bewegt. Vorher habe ich wohl die meiste Zeit beruflich am Schreibtisch verbracht. Und mein Beruf ist kurioserweise auch schuld an meiner heutigen ausgeprägten Wanderlust. Es verschlug mich zu einem Termin ins beschauliche Gasteiner Tal in die österreichischen Hohen Tauern. Da ich noch ein bisschen Zeit hatte, dachte ich, ich könne ja mal auf einen Berg steigen. Also habe ich mir vor Ort einen Wanderrucksack gekauft, mich völlig unpassend gekleidet und mit meiner Lotte im Schlepptau auf die erste Tour begeben. Ich war blutiger Anfänger, mein Ziel lag mehr als 1000 Höhenmeter über mir und ich hatte mir einen schweren Bergwanderweg ausgesucht. Total haarsträubend, aus heutiger Perspektive. Nach 100 Höhenmetern war ich völlig am Ende. Rentner spurteten an mir vorbei und mein Hund kicherte, ehrlich! Das absolut Erstaunlichste aber war, dass ich mein Ziel wirklich erreicht habe! Der Reedsee, ein echtes Naturjuwel, lag glasklar vor mir, gezuckerte Gipfel spiegelten sich darin und ich wagte sogar ein Bad in dem eisigen See. Völlig berauscht joggte ich im Anschluss den Berg fast hinab und holte die flotten Rentner auf dem Rückweg wieder ein. Meine Akkus waren komplett aufgetankt – obwohl ich ja hätte kaputt sein müssen – und ich hatte mich selten so lebendig gefühlt. Seither habe ich keinen einzigen Urlaub mehr ohne Wandern verbracht.
Im letzten Sommer bist du dann zu einer 700 Kilometer Wanderung gestartet. Wie kam es dazu und wo warst du unterwegs?
Romy: Auch dieses „Abenteuer“ ist mir irgendwie in den Schoß gefallen. Das klingt in Kombination mit der ersten Antwort ja fast ein bisschen so, als sei ich ein Mensch, der sich von Zufällen und dem Schicksal leiten lässt. Eigentlich bin ich sogar eher das Gegenteil. Ich überlasse sonst wenig dem Zufall, bin strukturiert und zielstrebig. Aber egal. Bei einer Mehrtagestour am Gardasee stolperte ich – wer die Gardaseeberge kennt weiß, dass „stolpern“ wortwörtlich zu nehmen ist – über das Symbol des Sentiero della Pace, den italienischen Friedensweg. Eine schwarze Taube auf weißem Grund, die ich sogar im ersten Moment für einen Adler hielt. Aber ich war neugierig geworden und begann zu Hause über den Weg zu recherchieren. Ich stieß auf einen Erinnerungsweg, der entlang der ehemaligen Frontlinie des 1. Weltkriegs einmal die italienischen Alpen durchquert.
Ein Friedensweg auf alten Militärpfaden: Was hat dich am Thema so fasziniert?
Romy: Ich muss zugeben, dass ich nicht mal ein außergewöhnlich geschichtsinteressierter Mensch bin. Aber ich hatte das Gefühl, dass mich dieser Weg etwas lehren könnte. Je mehr ich recherchierte, desto mehr war ich gefesselt. Mir wurde klar, dass die österreichische Grenze vor dem 1. Weltkrieg bis an den Gardasee reichte, dass Männer auf Skiern, an Kletterseilen, in steilen Felswänden und im Bauch von Gletschern gekämpft hatten, dass Gefechte auf 3692 Metern stattfanden, ein Schützengraben mit Geschütz auf 3905 Metern stand und sogar eine Stadt mitsamt Kapelle im Eis auf 3343 Metern existiert hatte. Ich wollte das, was davon übriggeblieben ist, sehen. Ich wollte es verstehen und nachfühlen. Und ich verstand nicht, dass es keine Informationen zu dem Weg gab und es anscheinend niemand für nötig hielt, einen Wanderführer zu schreiben. Irgendwie war ich sicher, es müsste doch dort oben auch eine tolle Natur geben. Und all das hat sich auch bewahrheitet.
Die Wanderung war nicht ganz eigennützig, du hast ja auch eine Patenschaft übernommen. Für wen und wie kam es dazu?
Romy: Genau, für die Dauer meiner Wanderschaft habe ich die Patenschaft für eine Schule in Idlib übernommen und Spenden gesammelt, damit dort der Unterricht weitergehen kann. Damit wollte ich ein Band zwischen unserer Vergangenheit und der heutigen Realität knüpfen. Unsere europäische Geschichte und die Lehren, die wir daraus ziehen müssen, dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Ebenso wenig dürfen wir den Blick vor dem was heute passiert verschließen. Mir ging es aber nicht um ein politisches Statement, sondern darum, jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Zum Zeitpunkt meiner Wanderung lebte nämlich noch unser arabischer Pflegesohn, den wir als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling aufgenommen hatten, bei uns. Seine Entwicklung hat mir deutlich gemacht wie wichtig Bildung und Perspektive ist. Als er vor fünf Jahren zu uns kam, war er Analphabet, sprach kein Wort Deutsch und rechnete mit den Fingern. Heute lebt er im Nachbar-Dorf und macht gerade seinen Abschluss zum Tischler. Mit Bildung und Perspektive sind unvorstellbare Dinge möglich.
8 Wochen Wandern am Stück: Wie hast du das „logistisch“ gelöst? Wie hat dein Arbeitgeber reagiert, als du um 8 Wochen Urlaub gebeten hast? Wo hast du übernachtet?
Romy: Ich musste das gottseidank nur mit mir und meiner Familie absprechen. Ich bin schon seit vielen Jahren selbstständige PR-Beraterin. Die Vorbereitungszeit war dennoch ein wahrer Marathon. Ich musste die Arbeit von 8 Wochen so gut es ging vorarbeiten und zudem noch die Wanderung recherchieren und planen. Kurz vor dem Start war ich völlig fertig. An meinen Pausentagen habe ich dann auch nicht die Beine hochgelegt, sondern gearbeitet. Übernachtet habe ich übrigens meist in Hütten oder kleinen Pensionen.
Du warst ja auch mit dem Zelt unterwegs, wie sieht es in Italien da rechtlich aus?
Romy: In Italien ist das Wildzelten grundsätzlich verboten. Ich will betonen, dass ich das respektiere und auch für gut befinde. Ich habe immer versucht in Hütten, Pensionen oder Biwakhütten zu übernachten. Da ich mit Hund unterwegs war und ich mit Schwierigkeiten gerechnet habe, hatte ich ein winziges Notzelt dabei. Das nächtliche Biwakieren von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang (egal ob mit oder ohne Zelt) scheint wohl rein rechtlich betrachtet zulässig zu sein. Das ist eine Grauzone. Ich musste nur einige wenige Male auf mein Zelt zurückgreifen. Zum Schutz der Natur habe ich mich dann an verschlossene Hütten gestellt.
Für eine so lange Wanderung wählt man sein Gepäck sehr spezifisch aus. Was hattest du dabei und auf was würdest du beim nächsten Mal verzichten?
Romy: Oh, wenn ich könnte würde ich sofort den kleinen 1-Kilo-Mini-Laptop beim nächsten Mal zu Hause lassen! Den brauchte ich ja aber zum Arbeiten. Ich habe natürlich unglaublich viel Zeit in die Ausrüstungsplanung gesteckt. Ich glaube ich kann heute noch das Gewicht jedes einzelnen Gegenstandes herunterbeten. Das scheint aber ziemlich gut investierte Zeit gewesen zu sein, denn ich habe weder etwas vermisst, noch etwas nicht gebraucht. Je nach Füllungszustand von Essen und Hundefutter war mein Rucksackgewicht bei 10 bis 14 Kilo – inklusive Zelt, Küche, Büro, Ausrüstung für mich und meinen Hund. Das meiste Gewicht habe ich an meiner Kleidung gespart, das waren wirklich eher nur eineinhalb Garnituren. Ohne die Sachen für meinen Hund, ohne Büro und ohne Zelt wäre ich bei 5,5 Kilo gelandet, inklusive einem 1 Kilo schweren Rucksack.
Du warst ja mit dem Hund unterwegs. Einerseits hat man so ja immer Ansprache, aber das hat auch Auswirkungen beim Gepäck, Planung und bei der Hüttenübernachtung. Was würdest du Hundebesitzern, die das erste Mal mit dem Hund auf Tour gehen empfehlen?
Romy: Eine Hüttentour mit Hund ist wirklich ein immenser organisatorischer Aufwand. Allerdings muss ich entgegen der Aussagen vieler Pessimisten sagen: Wenn du es wirklich willst, dann geht es auch und es macht unglaublich viel Freude. Der wichtigste Tipp ist daher, sich nicht entmutigen zulassen! Es gibt Winterräume, es gibt Biwakschachteln und es gibt ganz wunderbare Hüttenwirte, die dich gern empfangen. Ansonsten gilt für den Anfang im alpinen Raum: Mit Tagestouren anfangen, um einschätzen zu können, was der Hund schafft und wie er sich verhält, und dann einfach auf leichten Höhenwegen starten.
Du hast ja auch den Reiseführer „Sentiero della Pace“ für den Rother Bergverlag geschrieben, der gerade neu herauskommt. Wie kam es hier zur Zusammenarbeit? War das schon geplant oder kam das im Nachhinein?
Romy: Mir war schon bei der Recherche zum Weg klar: Das mach ich nicht nur für mich! Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um alle Infos zum Weg zusammenzubekommen. Ich wollte den Fernwanderweg wiederbeleben. Dafür hätte ich auch einen Wanderführer im Selbstverlag geschrieben. Da aber vieles einfacher mit Verlag ist, habe ich einfach beim Rother Bergverlag angerufen, weil das die Bücher sind, mit denen ich selbst am liebsten wandere. Ein paar Arbeitsproben später hatte ich den Vertrag und hunderte (oder eher tausende) Arbeitsstunden später darf ich das fertige Buch in meinen Händen halten – ein unbeschreibliches Gefühl.
Dieses Jahr ist es mit den Hüttenübernachtungen und langen Touren etwas schwieriger. Welche Touren würdest du für diese Wandersaison empfehlen?
Romy: Die Bestimmungen und damit die Situationen auf den Hütten ändern sich noch immer fast wöchentlich. Kann man Duschen oder nicht? Hat die Hütte überhaupt offen? Das muss man immer individuell klären. Kürzere Touren sind da deutlich einfacher zu planen. Bei den beliebten Hütten, die deutlich weniger Kapazität zur Verfügung haben, wird es schwer dieses Jahr mit einem Plätzchen. Daher gibt es bessere Chancen bei den unbekannten Wegen. Womit wir wieder beim Sentiero della Pace wären. Was ich bisher von den Hütten dort höre: Es gibt eher wenig Buchungen.
Und was hast du dieses Jahr geplant und wo willst du unbedingt mal noch hin?
Romy: Eigentlich wollte ich ja meine Alpensaison in Deutschland mit einer tollen Tour in den Berchtesgadener Alpen starten. Das Trekking ist mir aber wegen Kapazitätsproblemen einer Hütte geplatzt. Daher lande ich nun wieder in Südtirol. Ausgesucht habe ich mir einen anspruchsvollen und sehr einsamen Weg, der fast ausschließlich über 2000 Meter verläuft und von dessen höchstem Gipfel ich sogar den ganzen Wegverlauf des Sentiero della Pace vom Ortler bis in die Sextener Dolomiten nachvollziehen kann… . Danach geht es auf große Erkundungstour nach Österreich. Ich werde mit meinem frisch ausgebauten Transporter von Wien nach Liechtenstein einmal quer durch Österreich fahren und in Tages- und einigen kürzeren Mehrtagestouren ganz verschiedene Alpenregionen und einige 3000er entdecken. Und so ganz generell: Mal ausgiebig in die Schweiz, viel Zeit in den Ortler-Alpen verbringen und so hoch hinaus wie es nur geht.