Mit den Hüften im Tiefschnee versinken, auf dem Tiefschnee surfen und den Schnee in die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu sprühen – das ist Freeriden.
Wir sind für zwei Tage im Montafon. Eigentlich zum Freeriden. Doch während die Sonne der zweiten März-Woche dem Schnee im Tal ordentlich zusetzt und der Tag am grünen Parkplatz der Bergbahn beginnt, dämmert es uns schon langsam: Heute erkunden wir eher die Pisten als das daneben…
Ich war vor knapp 10 Jahren schon mal hier, aber damals hieß das Skigebiet noch anders, Schruns/Hochjoch, und Silvretta Nova. Heute sind die beiden Skigebiete zusammengeschlossen und heißen wie die Region: „Silvretta Montafon“. Neuer Name, neue Lifte, aber immer noch Pisten für alle Ansprüche, weniger „Jubel und Trubel“ als am nahen Arlberg und bei Neuschnee geniale Off-Piste-Möglichkeiten.
Piste statt Freeride
Wir sind verabredet. Mit Andreas, seineszeichens „Projektentwickler“ und somit der Kopf hinter den diversen Freeride-Angeboten des Skigebiets. „Freeriden, des wird heit nix, aber des seht er ja eh…“ sagt der ausgebildete Bergführer, „letzte Woche sammer nu von der Zamangspitz obi g’foarn.“ Der „Gipfelsturm Zamangspitze“ mit seiner 1.600 Höhenmeter-Abfahrt von der Zamangspitze bis nach Gallenkirch ist eines der Freeride-Angebote im Gebiet, die geführten Touren „Freeride Safety Check“ und der „Freeride Abenteuertag“ sind die anderen. Vier geführte Freeride-Touren ins freie Gelände bietet das Skigebiet jede Woche, um den Pistenfahrern das Erlebnis neben der Piste zu vermitteln.
Heute nehmen wir also stattdessen die Piste. Alles schön hart gefroren, aber gut präpariert. Dazwischen immer wieder geniale Schneisen zwischen den Pisten, die im normalen Betrieb für die Freerider freigehalten werden. Würde uns auch Spaß machen… wenn nur mehr… naja, lassen wir das…
Andreas führt uns im Highspeed durch das Skigebiet, shuttelt mit uns über die manchmal schön breiten und teils fordernd schmalen Pisten hinüber zur Nova Stoba und wieder zurück. Zwischendrin zeigt er uns noch weitere Projekte, die die Kunden belustigen und ins Gebiet ziehen sollen. Zum Beispiel die kleinen Iglus, in denen man eine Nacht bei frostigen Temperaturen, aber auch gut mit Glühwein & Käsefondue gewärmt verbringen kann. Im Sommer stehen hier dann keine Iglus, sondern Zelte für ein „betreutes Biwak-Erlebnis“.
Noch ein kurzes Getränk auf der Hütte und schon ist Andreas weg, die nächsten „Projekte“ bereits im Kopf. Aktuell absolviert er die Ausbildung zum Falkner, denn bald soll eine neue Falknerei für noch mehr Sommerklientel am Berg sorgen.
Seitenwechsel: Auf’s Hochjoch
Wir nehmen derweil fast alleine die Talabfahrt nach St. Gallenkirch und landen auf den letzten Schneeresten knapp vor der Grasjochbahn, die die Verbindung in Richtung Hochjoch darstellt. Vier Kilometer überbrückt die Bahn hinauf zum Grasjoch und zurück in den Schnee. Eine Piste ins Tal sucht man hier jedoch vergebens, nur die Abfahrt von der Zamangspitze in Richtung St. Gallenkirch wäre bei guten Verhältnissen möglich. Ein alpines Unterfangen, das man (beim ersten Mal) wohl lieber mit Guide angeht.
Für Mittag haben wir uns eine urige Alternative zu den großen Hütten des Skigebiets herausgesucht: Die Wormser Hütte. Die Alpenvereinshütte hat ihren Charme bewahrt, es geht rustikal zu und wir genießen draußen „auf der Terrasse“ im Schnee den Sonnenschein und unser Mittagessen. Die Hüttenkatze leistet uns dabei schnurrend Gesellschaft.
Von hier aus kann man sich auch jeden Mittwoch früh bei einer „Sonnenaufgangsfahrt“ vor der offiziellen Öffnungszeit bis nach Schruns abfahren. 1.700 Höhenmeter bergab, und die nehmen wir jetzt auch in Angriff. Feinster Frühjahrsfirn erwartet uns als Nachmittagsschmankerl und erinnert schon mehr an Surfen als an Skifahren. Irgendwann brennen dann die Schenkel, aber zum Ausgleich gibt es ja den Lift.
Wieder zurück am Berg machen wir einen Abstecher in die „Funzone“: Hier ist neben Kickern, Rails und Boxen auch ein Freeridecross mit Wellenbahnen, Steilkurven und Sprüngen angelegt, der vor allem von den Kleinen gut genutzt wird. Allzu viel Zeit ist heute nicht mehr und wir fahren mit der Bahn hinab in Richtung St. Gallenkirch, wo das Hotel auf uns wartet. Nach einer Runde Sauna und ausgiebigem Abendessen reicht’s uns und wir machen Schluss für Tag 1, denn Tag 2 startet früh…
Frühstück auf der Piste
Treffpunkt ist dann nämlich um 7:20 Uhr an der Versettla-Bahn. Wir wollen heute noch vor dem Frühstück erste Spuren in den Schnee ziehen und zum Abschluss auf der Nova Stoba frühstücken. Das Angebot heißt „Nova Exklusiv“ und kostet inkl. Frühstück 36€ (zzgl. der Liftkarte für den Tag!). Zuerst allerdings heißt es vom Lift nochmals eine Ehrenrunde zurück zum Hotel: Die vergessenen Snowboardschuhe werden dann doch zeitnah benötigt.
Und dann geht es los: Vor der Bahn warten schon rund 80 Leute, die allesamt auf dem Berg befördert werden wollen. Das Klientel reicht hier vom jugendlichen Einzelfahrer, dessen Gruppe es immer erst gegen Mittag auf die Piste schafft, bis hin zu älteren Tagestouristen vom Bodensee, die den Skitag komplett ausnutzen wollen. An der Mittelstation bekommt noch jeder einen Becher Tee, bevor sich oben alle zum gemeinsamen Aufwärmen treffen.
Dann geht es in kleinen Gruppen mit einem Guide durch das leere Skigebiet – für jede „Leistungsgruppe“ gibt’s einen eigenen Guide. Durch die tiefen Temperaturen der Nacht sind die Pisten hart gefroren und meine doch eher auf Freeride ausgelegten Bretter sind hier etwas überfordert. Vielleicht war’s aber auch einfach etwas früh. Oder das hohe Tempo, das meine Begleiter an den Tag legen… Auf jeden Fall baue ich zwei, drei Mal unerwartete Pirouetten ein.
Gut, dass dann auch bald schon das monströse Frühstücksbuffet auf der Nova Stoba ruft. Von Semmeln und Gebäck über Eier und Speck bis hin zu Wurst, Kuchen, und, und, und… Schon wieder überfordert bei der ganzen Auswahl…
Mit dem Head-Shaper im Funpark
Nach dem Frühstück wechseln wir nochmal auf die Hochjoch-Seite und treffen uns mit Chris. Chris ist der „Head-Shaper“ in der „Funzone“ und für den Funpark verantwortlich. Besonders stolz ist er auf den Freeridecross: „Die abwechslungsreiche Strecke wird mittlerweile sogar für Nachwuchsrennen genutzt, die macht einfach Spaß.“ Während wir uns unterhalten steckt gerade ein Trainer die Strecke für ein Rennen am nächsten Tag. Gleichzeitig nutzen einige Youngsters die Strecke mit Highspeed zum Training.
Chris ist professioneller „Shaper“ und von Oktober bis Mai im Auftrag der Firma „Schneestern“ unterwegs, um Snowparks zu bauen. Schneestern zeichnet für mehrere professionell betreute Snowparks wie den Freeridecross in Sudelfeld, den Snowpark Kaunertal und den Stubai Zoo verantwortlich. Neben der Planung und Umsetzung steht auch die tägliche Pflege der Rails, Rampen und Pipes auf dem Programm. „Gelernt“ hat Chris seinen Job praktisch: Nach einigen Jahren dem Parkbau geopferter Freizeit konnte er durch einen Zufall sein Hobby zum Beruf machen. Für ihn naht das Ende der Saison und der Wechsel auf den Stubaier Gletscher… Aber vorher stehen noch einige Nächte am Berg bevor. „Nichts ist schöner als in der Früh als erster durch den Park zu cruisen…“, so Chris. Dafür bleibt er des Öfteren auch am Berg und hat sich hier „sein Wohnzimmer“ eingerichtet. Vor dem Cruise steht allerdings das Präparieren mit Pistenbully und Schaufel und das ist harte Arbeit.
Wie genießen derweil entspannt noch ein paar Abfahrten auf dem Freeridecross und probieren noch etwas an den Rails und Sprüngen im Funpark, bevor es für uns mit der Bahn wieder in Richtung Auto geht.
Für uns steht fest: Wir kommen wieder – dann vielleicht etwas spontaner und wenn es Neuschnee gibt. Denn dann ist das Skigebiet für Freerider ein echter Traum und bietet (fast) unendliche Möglichkeiten. Und die Abfahrt von der Zamangspitze, die steht jetzt fest auf der „Bucket List“.
Infos
Anreise
Von Deutschland über Lindau/Bregenz und Reintalautobahn nach Vorarlberg. Auf der Arlberg-Schnellstrasse bis Ausfahrt 61 Bludenz-Montafon. Von hier wenige Kilometer bis Schruns, St. Gallenkirch oder Gaschurn.
Skigebiet
Das Skigebiet besteht aus zwei Teilgebieten: Hochjoch und Nova. Gesamt 140 km Piste, davon 56 km blau, 49 km rot, 8 km schwarz und um die 27 km ausgewiesene Freeridestrecken und Routen. Es erstreckt sich von 700 m bis auf 2430 m.
Freeride
Bei entsprechender Schneelage vielfältige Freeride- und Tourenmöglichkeiten, entweder zwischen den Pisten, am Talende an der „Burg“, von der Rinderhütte ins Novatal oder von der Zamangspitze. Für Einsteiger ins Thema gibt es vier geführte Tourenangebote pro Woche.
Unterkunft
Unterkünfte aller Preisklassen in St. Gallenkirch, Gaschurn oder Schruns, z.B. im Sporthotel Montafon in Gaschurn.
Übernachtungsmöglichkeit direkt im Skigebiet auf der Wormser Hütte.
Einkehr
Mehrere Einkehrmöglichkeiten mit österreichischer, deutscher oder italienischer Küche im Skigebiet. Unser Favorit: Die Wormser Hütte im Teilgebiet Hochjoch. Vielfältige Alternativen in den Talorten.
Hinweis: Wir wurden von der Silvretta Montafon GmbH zu der Reise eingeladen. Unsere Meinung beeinflußt hat das nicht.
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Super Beitrag! Macht lust aufs Montafon