Jedes Jahr verbringen wir unseren Sommerurlaub in Frankreich. Jedes Jahr suchen wir uns einen anderen Teil aus und versuchen dabei die Wünsche der ganzen Familie zueinander zu bringen, also Wandern, Klettern oder Bouldern für den Herrn Papa und Baden am Meer für Frau Mama und die Kinder. Idealer Zeitpunkt: Die letzten drei Wochen der bayerischen Sommerferien, also die letzte August und die ersten zwei Wochen September. Ideal, weil in Frankreich zumeist schon Nachsaison, was die Preise für Campingplätze und Mobilehomes schon erheblich vergünstigt, aber trotzdem noch bei warmen sommerlichen Temperaturen.
Letzten Sommer wurde als Ziel die Côte d’Azur ausgerufen, mit einem längeren Zwischenstopp in der Dauphiné (das können sich auch die Kinder merken lautsprachlich: Doof·ieeh·neee).
Die Dauphiné umfasst das Ecrins-Massiv, das südlichste Massiv der Westalpen mit dem gleichnamigen Nationalark. Bekannte hatten uns den Zwischenstopp in einem kleinen Örtchen namens Ailefroide empfohlen.
Ailefroide ist ein Bergdorf, das zu Pelvoux gehört und nur aus ein paar kleinen Hotels, einem Supermarkt, zwei Sportgeschäften und einem Campingplatz besteht. OK, eigentlich hauptsächlich aus einem Campingplatz, der das halbe Tal füllt. Hier gibt es aber keine ausgewiesenen Plätze, sondern verschiedene Zonen mit mehr oder weniger geraden Plätzen. Wer Strom braucht, steht näher an den Versorgungshäuschen, wer keinen braucht, eher weiter weg. Wer hier her kommt, hat zumeist ein Ziel: Die Berge.
Rund um Ailefroide gibt es für Alpinisten aller Bewegungsarten etwas zu entdecken: Von den Sportkletterrouten direkt am Platz, Mehrseillängenrouten an den umliegenden Felswänden, Wanderrouten in die verschiedenen Täler und Hochtourenmöglichkeiten bis auf mehr als 4.000 Meter, z.B. auf den „Dôme des Ecrins“, die „Ailefroide“ oder den „Pelvoux“, um nur einige zu nennen.
Klettern mit der Familie
Um nach dem „Anfahrtsstress“ etwas herunterzukommen geht es für uns als Familie zuerst einen Tag an die Kletterfelsen.
Nur wenige Gehminuten vom Campingplatz erwartet uns eine abwechslungsreiche Kletterwand mit bis zu 20 Metern Höhe in den Schwierigkeitsgraden 3-7. Die Wand ist nord-westseitig ausgerichtet und bekommt erst spät am Nachmittag auch etwas Sonne ab. Wir richten zwei Routen als Top-Rope für die Kinder ein und lassen diese starten. Nach ein paar Runden verziehen sich die Kinder in Richtung des umliegenden Waldes und bouldern noch etwas auf den Felsen auf und ab, machen Brotzeit und freunden sich mit den anderen Kletterkindern an. Wir erkunden derweil eine Route nach der anderen… bis der Hunger uns in Richtung Wohnmobil zurück zieht.
Kletterwände gibt es aber auch östlich und nördlich vom Campingplatz. Je nach Tageszeit und Schwierigkeitsgrad kann man aus den Vollen schöpfen… Auch vielfältige Mehrseillängenrouten finden sich in den umliegenden Wänden, die mehrere hundert Meter in den Himmel ragen.
Abends genießen wir einen der Vorzüge des naturnahen Campingplatzes: Offene Feuer sind erlaubt und praktisch jeder Stellplatz hat seine eigene Feuerstelle. Während die Kinder im nahen Wald auf die Suche nach Feuerholz gehen, stapeln wir noch einige Steine um die vorhandene Feuerstelle. Später sitzen wir alle am lodernden Feuer. Es ist schon Ende August und Abends wird es frisch in der Nacht. Das Feuer wärmt uns aber und sorgt für einen gemütlichen Abend.
Wandern zu den Gletschern
Im Zeichen der Gletschererkundung steht unser zweiter Tag: Wir wollen mit der ganzen Familie zur Berghütte „Refuge du Glacier Blanc“ aufsteigen und einen Blick auf den gleichnamigen Gletscher werfen. Wir stehen früh an der Bushaltestelle und sind 10 Minuten später nach der wohl teuersten Busfahrt unseres Leben (9€ je Person, Kinder heute ausnahmsweise frei) am Refuge de Prés de Mme. Carle, dem Tor zum Ecrins Nationalpark. Von hier aus ist der Gletscher schon oberhalb zu erkennen. Für uns stehen aber im Gegensatz zu manch anderem Besucher heute rund 800 Höhenmeter auf dem Plan.
Zuerst folgen wir den Schottertrassen durch das Tal auf eine Moräne und dann steil in Serpentinen hinauf auf eine Absatz mit genialem Ausblick auf die umliegenden Berge, die sich teils weiß vom Gletscher bedeckt präsentieren. Nach Westen zieht der schuttbedeckte „Glacier Noir“ weiter ins Tal.
Bald darauf eröffnet sich der Blick auf den Gletscherabbruch des Glacier Blanc. Die Gletschermilch gluckert in einem Fluss vor uns hinab zu einem Wasserfall. Nun wird das Gelände kurzfristig spannender und wir überwinden teils mit Stahlseilen gesichert eine kurze Steilstufe hinauf. Die Kinder freut die Abwechslung und das steilere Gelände und sie sputen voraus, während uns Erwachsenen doch langsam warm wird.
Kurs darauf erreichen wir eine alte Hütte, die als kleines Museum das spartanische Bergsteigen der 1800er Jahre vermittelt. Hier wird dem Besucher auch der Gletscherschwund der letzten 200 Jahre vor Augen geführt: Während auf den Bildern die Hütte in direkter Gletschernähe zu sehen ist, bricht der Gletscher heute rund 200 Höhenmeter oberhalb der alten Hütte.
Es geht zwischen ein paar kleinen Seen hindurch zum letzten Aufschwung. Noch rund 100 Höhenmeter über uns liegt die Hütte. Unterwegs entdecken die Kinder noch ein quietschfideles und recht aktives Murmeltier, das uns den Weg zur Hütte verkürzt.
Wir machen es uns vor der Hütte gemütlich und packen unsere Brotzeit aus. Getränke holen wir beim Hüttenwirt und werfen dafür einen Blick in die recht französisch-spartanisch eingerichtete Berghütte. Die Standards der französischen Berghütten liegen deutlich unter dem deutschen oder österreichischen Standard, sind aber auch zumeist Standorte für richtige Hochtouren. Nur wenige Tageswanderer verirren sich bis hierher. Die meisten Gäste sind Hochtourengeher, die weiter in Richtung Dome de Neige -dem bekanntesten Ziel der Region- ziehen.
Nachdem wir ausführlich Brotzeit gemacht, unsere Limo ausgetrunken und alles wieder zusammengepackt haben, geht es an den Abstieg zurück zum Refuge Pre de Mme. Carle. Wir besichtigen noch das kleine Informationszentrum, das einige Interessante Fakten zu Flora, Fauna und Gletscherschwund zusammengetragen hat bevor uns der Bus wieder in Ailefroide ausspuckt…
Familie vs. Papa
Die Familie will einen Ruhetag, der Herr Papa braucht noch etwas Auslauf… also schnüre ich vor dem Frühstück bereits kurz vor sechs Uhr morgens leise die Wanderschuhe und erkunde das Tal hinter dem Campingplatz. Aber statt in Richtung Refuge de Pelvoux und Refuge de due Sélé biege ich nach rund 20 Minuten links ab, überquere den Fluss und steige die Serpentinen in Richtung Bosse de Clapouse hinauf.
Zurück am Campingplatz gibt es Frühstück und wir verbringen einen weiteren Tag mit der Familie am Kletterfels um den Campingplatz.
Abends sitzen wir bei Flo’s Pizza, einer kleinen Freiluftpizzeria im Ort und genießen den Ausklang des Tages bei einem Glas Rosé während rundum die Bergspitzen glühen. Immer wieder treffen noch die Hochtourengeher ein, die von der Ailefroide oder vom Pelvoux absteigen. Eine junge Dame kommt barfuß daher gehumpelt. Ihre Füße haben den langen Tag nur mit monströsen Blasen überstanden. Für die langen Abstiege bis ins Tal empfiehlt sich dann wohl doch das Mehrgewicht leichterer Zustiegsschuhe…
Zum Refuge du Sélé
Nach dem Frühstück dürfen heute die Herren Papa ohne Familie zum Ausflug starten. Direkt ab dem Campingplatz geht es das Tal am Fluss entlang hinauf in Richtung Refuge du Sélé. Zumeist ein Ausgangspunkt für die Besteigung der Ailefroide, ist die Hütte heute unser Tagesziel.
Zuerst geht es das Tal hinauf, dann in Serpentinen aufsteigend durch eine Waldstufe und letztendlich über eine seilversicherte Steilstufe neben einem Wasserfall hinauf bis zur Hütte. Von hier genießen wir den Ausblick das Tal hinunter, hinauf in die Gletscher der umliegenden 4.000er und hinüber zum Refuge du Pelvoux.
Ein Helikopter zieht kurz seine Kreise über uns, bevor er in die hohen Berge entschwindet. Wir nehmen derweil eine „Coca“ und genießen auf der Terrasse die Sonne, die uns ins Gesicht schein. Gut gecremt lässt es sich gut aushalten. Neben uns spielt ein Bergführer mit seiner Familie, während er auf die nächsten Kunden für die Besteigung der Ailefroide Oriental wartet, die am Nachmittag eintreffen…
Wir machen uns derweil an den Abstieg zum Fluss unterhalb der Steilstufe. Nach einem Nickerchen am Fluss und einem Bad für die Füße geht es in rund zwei Stunden zurück zum Campingplatz.
Vielfältige Möglichkeiten
Rund um Ailefroide bieten sich fast unendliche Möglichkeiten: Von der einfachen Familienwanderung, Bergtouren über Sportklettern bis hin zu ausgewachsenen Hochtouren. Der Campingplatz ist von der ursprünglicheren und weitläufigen Sorte, bietet aber durchaus saubere sanitäre Anlagen. Der kleine Supermarkt im Ort ist ausreichend für die Deckung des täglichen Bedarfs. Das Tal ist aber schon allein wegen der Aussicht auf die 4000er und Gletscher rundum eine Reise wert.
Für uns ist nach fünf Tagen leider schon wieder Schluss und es zieht uns in Richtung Provence und Côte d`Azur. Wir kommen aber sicher wieder… entweder im Sommer zum Klettern und Wandern, oder auch im Winter zum Ski(hoch)touren gehen…
Anfahrt
Von Deutschland entweder über die Schweiz, Lago Maggiore und Turin oder über Genfer See, Grenoble und La Grave nach Briancon. Über Pelvoux nach Ailefroide.
Unterkunft
Campingplatz und Wohnmobilstellplatz L’Ailefroide
Kosten Campingplatz:
7,20€ pro Erwachsener, 5,90€ für Jugendliche bis 18 Jahre, 3,60€ pro Kind bis 14 Jahre
(keine Reservierung notwendig!)
Hotels im Ort
Berghütten nach französischem Standard in den umliegenden Bergen
Klettern
Für die umliegenden Sportkletterrouten:
70m Einfachseil, 12 Exen, Sicherungsgerät, Helm.
Mehrfachseillängenrouten sind auch direkt ab dem Campingplatz möglich (mit entsprechender Ausrüstung und Erfahrung).
Ein Klettersteig findet sich ca. 10 Minuten mit dem Auto unterhalb in einer Schlucht. Der Steig besteht aus zwei Teilen: „Inititation“ (3/B/C, auch für Familien mit Kindern ab ca. 12 Jahren geeignet) und „Sportive“. (4/C/D).
Literatur
Ailefroide Climbs, Kletterführer
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