Für eine schöne Wochenend-Hüttentour lohnt sich der Blick ins Allgäu. Eine anspruchsvolle und panoramareiche Runde führt von Birgsau aus auf den Krumbacher Höhenweg und zur Mindelheimer Hütte weiter über Schrofenpass und Mutzentobel zur Rappenseehütte und zurück ins Tal. Die Tour ist nicht unbedingt für Einsteiger geeignet, es gibt aber – mit Ausdauer verbundene – Alternativen.
Frühaufstehende haben beim Start der Runde am Parkplatz der Fellhornbahn in der Nähe von Oberstdorf noch relativ freie Platzwahl. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bringt einen der Bus vom Oberstdorfer Bahnhof aus aber noch direkter an die Einstiegsstelle: Fährt man bis nach Birgsau, muss man nur einige Meter entgegen der Fahrtrichtung gehen, über die Stillach und einen kleinen Bauernhof queren und schon befindet man sich auf dem Wanderweg 442, der in der Karte als Panoramaweg verzeichnet ist. Der autofahrende Wanderer geht das erste Stück noch an der Stillach entlang und trifft dann ebenfalls auf die Brücke und den Bauernhof.
Mit einem strammen Aufstieg und einigen Kehren durch den Wald erreichen wir bald die 1400-Meter-Marke und können die ersten Ausblicke auf das sich ausbreitende Tal genießen. In weiteren 100 Höhenmetern erreicht man den Scheidbichel zur ersten Weitsicht – von dort aus überquert man steil mehrere Höhenlinien, passiert den Guggersee und kann mit großartigem Ausblick auf die Berge gegenüber und auf das Tal dazwischen eine Pause an der auf 1727 Meter gelegenen Vorderen Taufersbergalpe einlegen. Auch hier kann man sich kaum satt sehen von den grün bewachsenen Allgäuer Berggipfeln. Um einen herum auf der Blumenwiese summen die Bienen von Blüte zu Blüte, die Sonne strahlt ins Gesicht, in der Hand ein Käsebrot – hier scheint die Welt noch in Ordnung. Allzu lange sollte man sich hier trotzdem nicht ausruhen, da noch ein längeres Wegstück vor den Wanderern liegt und dort auch noch ein bisschen Zeit für die schönen Blicke benötigt wird. Kleiner Trost: Es liegen nur noch etwa 300 Höhenmeter vor uns.
Im weiteren Weg umrunden wir einige Felsen, wenn man die Ohren spitzt und länger ruhig stehen bleibt, hat man die Chance, einige Gämsen und Steinböcke zu beobachten. Auf dem weiteren Weg rollen hoch oben immer wieder einige lose Steine herab, die wohl von einem der Tiere losgetreten wurden. Später kreuzen wir den Krumbacher Höhenweg, den wir nun relativ gerade und mit wenig Steigung entlang gehen, um zur Mindelheimer Hütte zu gelangen. Die Ausblicke ins Tal und auf die gegenüberliegenden Berge, die wir am nächsten Tag begehen werden, laden zu einigen kurzen Pausen ein. Kurz vor einer scharfen Rechtsbiegung kommen wir an einer privaten Alm vorbei, zu der auch ein direkter Weg aus dem Rappenalptal von der Schwarzen Hütte aus führt. Nun trennt uns noch ein kurzer aber steiler Anstieg vom heutigen Ziel: die auf 2013 Metern gelegene Mindelheimer Hütte. Nach einer tagesfüllenden Wanderung freuen wir uns auf selbstgemachte (!) Nudeln und andere Spezialitäten. Kleiner Wehrmutstropfen für meinen großgewachsenen Begleiter ist das vollbelegte Bettenlager mit kurzen und sehr engen Betten unter Dachschrägen. Aber auch das trübt die Wanderfreude kaum – draußen kann man spätabends noch ein paar Steinböcke durchs Fernglas beobachten.
Der erste Wandertag lässt sich vor allem aufgrund der nötigen Ausdauer und des steilen Anstiegs als anspruchsvoll bezeichnen, technisch ist es aber eine „normale“, tagesfüllende Bergwanderung (mit längeren Pausen etwa 7 Stunden), die dem geübten Wanderer nicht so schwer fallen sollte. Alternativ kann die Hütte auch über den Mindelheimer Klettersteig oder vom Fellhorn aus über den kompletten Krumbacher Höhenweg erreicht werden.
Am nächsten Morgen genießen wir die wärmende Sonne und den traumhaften Ausblick von der Mindelheimer Hütte aus. Ich staune – bei meinem ersten Besuch der Hütte hatte ich Wolkenschleier und Regengüsse als Panorama, unglaublich, was mir damals alles entging. Noch etwas zögerlich blicken wir an die gegenüberliegende Wand – dort warten einige Leitern und versicherte Stellen auf uns, bei denen wir noch nicht ganz sicher sind, ob wir sie wirklich machen sollen. Gipfelbegeisterte und Ausdauernde können von der Hütte aus auch das Geißhorn überschreiten oder, falls am Vorabend noch nicht geschehen, die beiden Hausberge besteigen.
Die Sonne beflügelt unseren Mut und wir entscheiden uns für die direkte Strecke – auch weil sie deutlich kürzer ist und mit etwas weniger Höhenmetern als die Alternative (Abstieg und Querung des Tals) aufwartet. Einige Bergsteigergruppen überholend steigen wir deshalb bis auf 1522 Meter ab, genießen den Blick von halber Höhe auf das vor uns liegende, langgestreckte Tal und schauen zurück zur Hütte, die schon fast hinter einer Bergkuppe verschwunden ist. Nun binden wir unsere Schuhe nochmal enger und wagen uns an die Wand Richtung Schrofenpass. Die Brücken und Leitern sind sehr gut befestigt und wirken somit nicht mehr ganz so gefährlich wie aus der Ferne angenommen. Immer im Hinterkopf, das hier auch Mountainbiker ihr Fahrrad entlang tragen (in der Karte als schwierige Tragestrecke markiert; abenteuerliche Videos auf Youtube vermitteln ein Bild wie manche hier ihr Rad schultern), gehen wir weiter und merken, dass es ohne Rad definitiv einfacher ist.
Unterschätzen sollte man die Teilstrecke trotzdem nicht, Wanderer mit Höhenangst und Ungeübte sollten die Stellen eher meiden. Für mich ist die Strecke eine gute Übung für die Nerven, sie verspricht tolle Ausblicke und weitere Panoramen. Als wir den Schrofenpass erreichen und uns umsehen, sehen wir tatsächlich zwei Mountainbiker, die ihr Rad schultern und an den versicherten Passagen entlang wandern. Wir zollen unseren Respekt und gehen weiter in das Dickicht voller Latschenkiefer und Kraxeleien. Dabei umrunden wir den Grüner und genießen die typischen Alläguer Grasberge, setzen uns in die Wiese und machen eine Pause mit traumhaften Blick ins Tal – angelehnt an einen Grashügel fühlt man sich wie im Naturwohnzimmer mit Panoramakino.
Ein Stück weiter an kleinen Weihern und Bachläufen sitzen einige Wanderer und taten es uns gleich, die Pause muss einfach sein. Dahinter queren wir eine Hochebene, die uns recht bald zum zweiten herausfordernden Stück der Wegstrecke führt: Den Mutzentobel. Die Passage sollte keinesfalls unterschätzt werden, vor allem bei Nässe und Eis ist der Weg nicht zu empfehlen. Viele Erdrutsche haben einige Wegpassagen unterspült und abgetragen, als wir den Tobel passieren, liegen sogar noch wenige Schneereste auf dem sonst sehr schmalen und wackeligen Steig. Zahlreiche Seilversicherungen helfen beim Queren des Tobels, trotz allem ist man froh, wenn in diesem Teilstück kein Wanderer entgegenkommt, da die Ausweichmöglichkeiten recht gering sind. Hochkonzentriert steige ich hinab und hinauf und atme erst mal aus, als ich angekommen bin. Stolz blicke ich zurück und schaffe ein paar Fotos meines Mitwanderers, von dem ich weiß, dass bei ihm jeder Tritt sitzen wird.
Hat man den Mutzentobel hinter sich, ist der Weg bis zur Rappenseehütte leichter, eine Pause nach dem Tobel sollte man sich aber trotzdem gönnen, da nochmal einige Höhenmeter überwunden werden müssen. Kurz nach dem Tobel kreuzt auch der alternative Weg aus dem Tal unseren Steig und die Wandergruppen nehmen zu. An wunderschönen Blumenwiesen vorbei führt uns der Weg direkt zur Hütte, zahlreiche Serpentinen lassen das Ziel jedoch nicht wirklich in Sichtweite gelangen. Oben, auf 2091 Metern angekommen, warten auf uns einige Schneefelder (wir sind die Strecke im Juni gegangen), das versprochene Bad im Rappensee schenken wir uns deshalb – obwohl es tatsächlich einige Mutige gibt, die sich vor dem Abendessen ein eiskaltes Bad gönnen. Eigentlich wollten wir noch auf einen der Berggipfel rund um die Hütte steigen, aber Apfelstrudel und erfrischende Getränke locken uns zu sehr – beim Blick auf die Schneefelder an den Aufstiegswegen entscheiden wir uns schließlich dagegen. Die Rappenseehütte ist fast nicht mehr nur Hütte, ich war etwas übermannt von ihrer hotelartigen Größe, aber die Hüttenwirte vermitteln immer noch das Gefühl, das man auf einer Hütte erwartet: Eine gemütliche „Eins-nach-dem-anderen“-Mentalität. Wie schön, hier angekommen zu sein. Gemütlich wird es abends auch bei uns am Tisch mit anderen Bergsteigern – so wie man es sich nach einem langen Tag „nach getaner Arbeit“ nur wünschen kann.
Wir sind nach dem zweiten Tag stolz auf uns, wir haben einige anspruchsvolle Passagen gemeistert. Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Übung sind für die Strecke auf jeden Fall erforderlich. Es stört uns nicht, dass wir auf keinem Gipfel waren – traumhaftes Panorama und weniger Höhenmeter als am Vortag belohnten uns auf diesem Steig. Wer von der Hütte aus noch weitere Wanderungen unternehmen und ein paar Tage dranhängen will, kann am Heilbronner Weg weitergehen. Infos dazu auch bei uns unter https://mehr-berge.de/heilbronner-hoehenweg-mit-verlaengerung/
Der Abstieg ins Rappenalptal am nächsten Morgen führt uns von der Rappenseehütte über einige Schneefelder, die den Weg dadurch etwas ausgesetzt machen, hin zur Enzianhütte (1780 m), von der aus man nochmal den weiten Blick ins Tal genießen kann. Ab hier führen uns viele Serpentinen durch den Wald hinab – von der Jausenstation Petersalpe geht es in noch dichteren Wald hinein bis hin zum Rappenalpenbach, den man über eine Brücke quert und so seinen Lauf ins Tal beobachten kann. Von Einödsbach aus gehen wir entlang des Bachs auf einem breiten Weg das Tal entlang und wandern zurück nach Birgsau. Dort sind wir Mittags angekommen und zufrieden mit uns und der anspruchsvollen Hüttenwanderung. Ich freue mich schon aufs nächste lange Wochenende im Naturwohnzimmer Allgäu.
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