Auch früher schon hat man sich Fahrradtaschen an das Tourenrad gepackt, den Rucksack auf den Rücken geschnallt und ist für eine Nacht (zum Nacktbaden) an den Baggersee. Heute ist das Rad ein „Mountainbike“ und die Übernachtung am See heisst „Microadventure“. Wenn man das minimal gehaltene Gepäck möglichst trailtauglich und rahmennah am (Berg-)Rad für die Mehrtagestour verstaut, nennt sich das ganze „Bikepacking“. So weit zur Begriffsdefinition…
Für eine Nacht mit dem Zelt an den See
Die Kinder und ich sind mit den Rädern unterwegs: Es geht für eine Nacht von Zuhause an den See, namentlich den Brombachsee im Fränkischen Seeland südlich von Nürnberg.
Ich habe das Fahrrad sauber bepackt: Zelt, 3x Isomatte, 1x Schlafsack (die anderen beiden sind -wie das Badezeug- in den Rucksäcken der Jungs verstaut), Wechselklamotten, Ersatzschlauch und Flickzeug, Wasser & Brotzeit und natürlich Süßes als Motivation… dank der Lenkrad- und Satteltaschen muss nur die Brotzeit und der Wasservorrat in den Rucksack an meinem Rücken. Und auch die Rucksäcke der Jungs hatten noch Platz für das eine oder andere Stofftier.
Rund 35 Kilometer Strecke geht es heute zuerst auf dem Gredlradweg und dann auf der zukünftigen Strecke des neuen „Fränkischen Wasserradwegs“ zu überwinden, bevor uns die Zeltwiese auf der Badehalbinsel Absberg erwartet. Wir starten bei bestem Radlwetter. Nicht zu warm, nicht zu kalt, bisher noch kein Wind, doch das soll sich später ändern und am Nachmittag Gewitter herinziehen. Also müssen wir uns etwas sputen.
Ganz gemütlich eigentlich dieses „Bikepacking“. Und mit unseren neuen Packtaschen sind Zelt, Isomatten und Schlafsack sauber am Rad befestigt und machen sich sogar auf engen Trails wenig bemerkbar.
Zum Start geht es gleich recht anstrengend bergauf, doch bald ist der Anstieg auf den Schloßberg geschafft und es geht bis zum See fast nur noch bergab. Wenn da der Staudamm nicht wäre. Doch auch der ist bald überwunden und so geht es mit Blick auf die immer dunkler werdenden Wolken schnell entlang des Sees. Bald haben wir den Zeltplatz erreicht.
Kurzer Check-In und das Zelt aufbauen während die ersten Regentropfen schon auf uns fallen. Wir packen die Isomatten aus, breiten die Schlafsäcke aus und machen es uns im Zelt gemütlich. Zum Glück zieht das richtige Gewitter ein Tal weiter durch und uns erwischen nur ein paar Ausläufer des wütenden Gewitters. Eine Stunde später scheint schon wieder die Sonne und wir machen uns auf zum Mini-Golf spielen und gehen dann noch einen Bissen Essen bevor wir uns für die Nacht betten. Mit den Kindern ist es auch zu dritt im 2-Mann-Zelt auszuhalten.
Bikepacking – das braucht man…
„Bikepacking“ heißt mit dem geländetauglichen Rad mehrere Tage unterwegs zu und alles was man für die Übernachtung und Verpflegung benötigt, mit dabei zu haben. Das kann der schnelle Trip Übernacht oder die Mehrtagestour sein. Dementsprechend braucht man:
- (Berg-)Rad oder Gravelbike
- Biwaksack oder Zelt (z.B. Big Agnes C-Bar 2 oder MSR Freelite )
- Isomatte (z.B. Seatosummit Ultralight Mat)
- Schlafsack (z.B. Cumulus LiteLine 200)
- Wechselbekleidung, Regenjacke
- Schlauch, Flickzeug, Pumpe
- Zahnbürste, Zahnpasta, Duschgel, Deo
- Wasserflasche oder Trinkblase, evtl. Wasserfilter
- Gaskocher, Gaskartusche, Topf oder Tasse, Messer, Göffel
- Brotzeit, Trekkingnahrung oder Nudeln, etc.
Hierbei gilt natürlich wie beim Wandern: Je weniger Gewicht und Volumen die Ausrüstung einnimmt, desto weniger Kraft wird für die Fortbewegung benötigt. Nun braucht man für das Bikepacking nicht unbedingt spezielle Ausrüstung, sondern nutzt einfach was man eh z.B. für das Wandern schon hat.
Bikepacking: Sauber verstaut ist halb gewonnen!
Für das „Bikepacking“ eignen sich neben dem Rucksack, den man eigentlich nur so wenig wie möglich belasten oder gleich vermeiden möchte, drei Typen von Taschen an:
- Satteltasche
- Lenkertasche
- Rahmentasche
Wer ein klassisches Rad mit Gepäckträger sein eigen nennt, kann natürlich auch eine klassische ein- oder beidseitige Gepäckträgertasche nutzen. Am Mountainbike (ohne Gepäckträger) und bei engen Trails wird sich dies aber als wenig tauglich erweisen… für den Tourenradler aber natürlich die Tasche der Wahl ;-)
Die Satteltasche
Die Satteltasche eignet sich in kleinster Form für Werkzeug und Wechselschlauch an. Grössere Satteltaschen fassen durchaus Schlafsack, Isomatte und Wechselklotten. In unserem Fall fasst die Ortlieb Bikepacking Satteltasche mit rund 16 Litern Fassungsvermögen zwei SeaToSummit Ultralight Isomatten, einen Cumulus LiteLine 200 Schlafsack und ein paar Wechselklamotten.
Die Lenkertasche
Für das Zelt eignet sich am Besten die Lenkertasche. Diese ist zumeist in Form einer Rolle gefertigt. Die Lenkertasche von Ortlieb fasst z.B. unser Big Agnes C-Bar 2-Personenzelt (und eine darum gewickelte selbstaufblasende Isomatte von Exped wenn ich zu dritt mit den Kindern unterwegs bin…). Wer einen Lenkrad-Lenker an seinem Rad hat, muss hier auf die Breite des Zeltes bzw. der Zeltstangen achten!
Die Rahmentasche
Gaskocher, Abendessen, Frühstück und Werkzeug und Ersatzschlauch finden in einer Rahmentasche gut Platz. Wer seine Trinkflasche zumeist am Rahmen befestigt oder ein Rad mit obskurer Rahmengeometrie hat, muss entscheiden, ob er entweder eine nur sehr schmale Rahmenrasche einsetzt oder die Trinkflasche evtl. durch eine Trinkblase im Rucksack ersetzt.
Der Rucksack
Alles andere wie die Wasserblase und Regen- und Ersatzklamotten landen bei uns in einem kleinen (Rad-)Rucksack am Rücken. Beim der Auswahl des Rad-Rucksack sollte man darauf achten, dass man bei einem vollen Rucksack (z.B. mit den Badesachen für die ganze Familie) nicht mit dem Kopf am Rucksack anstösst, sonst führt das zu Nackenschmerzen.
Spezielle Taschen oder einfach ein Rucksack?
Heutzutage gibts es für alles und jede Aktion das passende Equipment, so gibt es einige Firmen, die auch für das Bikepacking spezialisierte Taschen für den Lenker, den Sattel und den Rahmen fertigen, um Klamotten, Isomatte, Schlafsack, Zelt und Gaskocher möglichst praktisch, fest und wasserdicht am Rad zu befestigen.
Ortlieb vs. Vaude
Aus Deutschland stechen hier vor allem die Taschen von Ortlieb aus dem fränkischen Heilsbronn und Vaude aus Tettnang am Bodensee hervor. Ortlieb hebt sich seit Jahren als Produzent wasserdichter Taschen vom Markt ab, während Vaude in den letzten Jahren immer mehr in den Bikemarkt drängt. Die Taschen von Ortlieb sind äusserst robust und wasserdicht, wohingegen Vaude mit geringerem Gewicht und der leichten Abnehmbarkeit der Taschen punktet. Hier verbleibt eine Halterung am Rad während die eigentlichen Taschen abnehmbar sind. Bei Ortlieb muss immer die gesamte Tasche abgenommen werden. Plant man eine längere Tour, sollte man sich beide Systeme im Fachhandel gut ansehen, welche Version für einen handlicher ist.
Beide Hersteller bieten einfache, praktikable Lösungen für fortgeschrittene Bikepacker und Radwanderer, die sich vor Allem bei längeren Touren lohnen – oder wenn man regelmäßig mit dem Rad über Nacht mit dem Zelt unterwegs ist.
Natürlich kann man sein für das Wandern angeschaffte Ultraleicht-Equipment auch einfach in einen Rucksack packen und losradeln, es muss nicht immer die spezialisierte Tasche sein. So sind wir z.B für unsere Mini-Transalp von Chur nach St. Moritz auch losgezogen… Für längere Strecken oder wenn man das Gepäck für die ganze Familie einpacken darf, kommt man um spezielle Lenker- und Satteltasche (oder einen Radanhänger) nicht mehr herum…
Der nächste Morgen: Alles wieder einpacken & ab…
Am nächsten Morgen erwartet uns Sonnenschein als wir den Kopf aus dem Zelt strecken. Leider haben wir keine Zeit für’s Baden obwohl der Brombachsee sich äußerst einladend präsentiert. Die nächsten Termine warten.
Also packen wir alles wieder fein säuberlich ein. Zuerst das Zelt um das wir die Isomatte gewickelt haben in die runde Lenkertasche. Passt perfekt. Dann den Schlafsäcke und die anderen Isomatten, Klamotten und mehr in die Satteltasche. Den Rucksack (mit Stofftieren und allem anderen) auf dem Rücken sind wir fahrbereit.
Die Nebelschwaden aus der Feuchtigkeit des gestrigen Gewitters schweben noch über dem See während wir am Strand entlang und dann durch den Wald fahren. Am Hauptdamm sagen wir „Tschüss“ zum See. Schön war’s, wir kommen wieder. Und definitiv mit dem Rad.
Literatur
Bikepacking: Langstreckenabenteuer mit leichtem Gepäck
von Justin Lichter und Justin Kline, Delius Klasing Verlag
Rad und Raus: Alles für Microadventure und Bikepacking
von Gunnar Fehlau, Delius Klasing Verlag
Escape by Bike: Adventure Cycling, Bikepacking and Touring Off-Road
von Joshua Cunningham
P.S.: Unsere Radtaschen haben wir regulär im Fachhandel bei Bergzeit.de erworben.
Nach einigen Versuchen bin ich der Meinung, dass Satteltaschen und Lenkerrolle zwar cooler ausschauen, aber nur in wenigen Situationen wirklich einen Vorteil bringen. Wenn Du eine Bikepackingtour machst, fährst Du fast immer Straße, Schotterwege oder Feldwege. Da kommt es wenig drauf an, dass das Rad schmal ist. Wenn man mit dem Gravelbike unterwegs ist sowieso. Die langen Satteltschen beeinflussen das Fahrverhalten eh so negativ, dass sie die anderen Vorteile weg machen. Ich hab beim Kauf meines Crossers darauf geachtet, dass er Gewindeösen für einen Gepäckträger hat. Mit 4 Imbusschrauben montiere ich den jetzt innerhalb 2 min und kann dann normale Taschen nehmen. Vorne hab ich eine ansteckbare Lenkertasche. Da komme ich jederzeit an meine Sachen und muss nichts umständlich aufrollen. Auch sind die Taschen viel schneller vom Rad, bzw. wieder angeklipst. Verstauen kann man auch viel mehr.
Die Kombination, die Du verwendest käme für mich nur in Frage, wenn:
– Technische Singletrails
– Fahrrad ohne Montagemöglichkeit von Gepäckträgern
– es muss cool aussehen
Allen anderen empfehle ich normale Gepäckträger / Satteltaschen und Lenkertasche. Ortlieb hat da wirklich tolle Sachen. Meine Kombination sieht vielleicht nicht superhip aus, hat sich aber super bewährt: https://www.allesnursport.de/bikepacking-kurztrip-zum-ammersee.html
Hallo Tom, Danke für deinen Kommentar. Beim Crosser mit Lenkrad-Lenker ist der Stauraum in der Lenkradtasche sehr begrenzt und ein Zelt und Isomatten passen hier nicht rein. Insofern brauchst du hinten mehr Stauraum und nutzt dementsprechend den Gepäckträger und die entsprechenden „normalen“ Taschen. Das hängt immer vom Anwendungsfall, verwendetem Rad und benötigtem Stauraum ab. Für die einen funktionieren Satteltasche und Lenkerrolle, die andern bevorzugen normale Taschen. Der Einsteiger wird den Rucksack nutzen und Zelt und Schlafsack vielleicht auch nur mit Spannbändern ans Rad binden. Die ultimative Lösung muss jeder für sich selbst finden…
@Tom: Ich war früher auch mit einem Setup, wie deinem unterwegs und bin dann kürzlich auf Bikepacking-Taschen umgestiegen, da ich von den Ortlieb Backroller meist nur noch eine voll bekommen habe und dann das Gewicht schlecht verteilt war. Zum zweiten bilde ich mir ein Gegenwind besser voranzukommen, da ich Windschnittiger unterwegs bin.
@Dennis: Du darfst nicht vergessen, Dein Thema ist UL. Deine Ausrüstung ist von Haus aus klein und leicht. Viele andere werden ein paar Kilo und Liter mehr dabei haben. Sicher haben Bikepackingtaschen ihre Daseinsberechtigung, aber durch sie muss man sich schon auch einschränken, was natürlich auch ein Vorteil sein kann. Beim Thema Windschnittigkeit gebe ich Dir natürlich recht. Dafür hat man bei den Backrollern einen deutlich niedrigeren Schwerpunkt und die Taschen können weniger Eigendynamik in der Bewegung entwickeln. Gerade im Wiegetritt macht sich das doch recht bemerkbar. Was mich aber am meisten genervt hat, war wirklich das Vielfache an Zeit, die man mit beladen und montieren verbringt.
Aber letztendlich ist es so, wie Thomas schreibt. Jeder muss selbst rausfinden, was ihm am besten liegt.
Ich denke, das Thema beim Bikepacking ist ja durchaus „ultraleicht“ unterwegs zu sein. Ist vielleicht auch der Unterschied zum klassischen Biketouring. Mit einem 4-Kilo-Zelt, 2 Kilo Schlafsack und ner schweren, großen Isomatte machen Bikepacking-Taschen wirklich keinen Sinn. Mit meinem kleinen Zelt, ultraleichter Isomatte und Schlafsack aber durchaus.