Ein alter Bekannter, Andreas vom Online-Magazin Gipfelfieber, hat mit dem Bruckmann-Verlag sein erstes Buch veröffentlicht: Vergessene Steige Bayerische Alpen – 30 wilde Bergtouren für jeden Anspruch. Wir haben ihn zum Interview gebeten: Über seinen Werdegang, wilde Steige und das Leben im Bergsteigerdorf Sachrang.
Hallo Andreas,
Danke, dass du dir für uns Zeit nimmst. Stell dich doch einfach mal kurz vor…
Andreas: Mein Name ist Andreas Gruhle. Ich bin freiberuflicher Journalist, Fotograf und Filmemacher. Ich habe vor ein paar Jahren angefangen, meine Leidenschaft zum Beruf zu machen und lebe nun seit etwas über drei Jahren mit meiner Frau und mittlerweile zwei kleinen Mädels im Bergsteigerdorf Sachrang inmitten der Chiemgauer Alpen.
Über deinen Blog Gipfelfieber und ein paar gemeinsame Aktionen kennen wir uns ja schon lange. Wie bist du eigentlich zu den Bergen und dann auch zum Bloggen gekommen?
Andreas: Meine Liebe für die Berge wurde recht früh schon geweckt. Ein Buch von Reinhold Messner mit beeindruckenden Bildern aus dem Himalaya war aber der ausschlaggebende Punkt. Spätestens nach dem ersten Alpenurlaub mit sieben oder acht Jahren haben sie mich weiter in ihren Bann gezogen und doch ist es dann bis Anfang 20 ruhig um meine stille Leidenschaft geworden. Mit einem Aushilfsjob im Skiverleih in Ischgl in der Wintersaison kam sie mit voller Wucht zurück, zog mich erst im Winter so oft wie möglich in die Berge, schließlich auch im Sommer zum Wandern und Bergsteigen.
Ein Faible fürs Schreiben und vor allem fürs Fotografieren hatte ich immer schon und so habe ich irgendwann 2012 Gipfelfieber ins Leben gerufen. Erst als Tourentagebuch für mich gedacht, wurde es schon recht schnell immer größer, wurde geklickt und gelesen. Dabei mag ich den Begriff “Bloggen” gar nicht so sehr. Beim Bloggen steht die persönliche Komponente viel mehr im Mittelpunkt. Auch nur irgendwie geartet im Rampenlicht zu stehen, ist aber nicht unbedingt mein Fall. Ich betrachte Gipfelfieber daher eher als Magazin denn als Blog.
Seit gestern liegt dein Buch „Vergessene Steige – Bayerische Alpen“ aus dem Bruckmann Verlag vor mir. Wie kam es dazu?
Andreas: Die Idee mit den Vergessenen Steigen ist schon bald nach der Gründung von Gipfelfieber entstanden. Seit langem gibt es auch eine entsprechende Kategorie dafür und mit der Zeit hat sich dafür eine richtige Leidenschaft entwickelt, alte Steigen zu finden und darüber zu schreiben, auch wenn das sicher nicht allen schmeckt und sie fürchten, ihre Geheimtipps würden nun überrannt werden. Mir war auch lang schon klar, dass sich das irgendwann mal eignet, in Buchform herauszubringen. Also bin ich letztes Jahr an den Bruckmann Verlag herangetreten, habe ihnen ein Exposé geschickt und kurz darauf waren wir uns auch schon einig, “Vergessene Steige” zusammen zu machen. Nur mit dem Untertitel “Bayerische Alpen” bin ich nach wie vor nicht ganz glücklich, da knapp die Hälfte der vorgestellten Touren auch auf der anderen Seite der deutsch-österreichischen Landesgrenze angesiedelt sind.
Die Touren sind ja nicht ganz einfach gehalten, an wen richtet sich das Buch?
Andreas: Eigentlich hält es sich ganz gut die Waage und alle Schwierigkeiten kommen vor. Wobei es bei alten Steigen, die teilweise schwer zu finden sind, eine Kategorie “ganz leicht” auch nur schwer geben kann. Für gänzlich Unerfahrene ist das also nicht unbedingt etwas. Auf jeden Fall sollte man Erfahrungen im (alpinen) Bergwandern haben. Ganz besonders wichtig ist ein guter Orientierungssinn und das Gespür für den richtigen Weg. Hilfreich sind da sicherlich die GPS-Tracks, die es zu allen Touren zum Download gibt. Allerdings immer mit dem Hinweis versehen, dass die auch mal nicht hundertprozentig genau liegen können. Und bei einer Abweichung von nur 50 Metern kann im Gebirge eben auch mal eine senkrechte Felswand dazwischen liegen.
Für Einsteiger ist daher die Tour auf den Friedenrath ein guter Start in die “Vergessenen Steige”. Bei der Leutascher Dreitorspitze oder der Gratüberschreitung des Zahmen Kaisers von der Pyramidenspitze zum Rosskaiser liegt die Latte dann aber um Einiges höher und absolute Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und sicheres Klettern bis zum II. Schwierigkeitsgrad sind Grundlagen, die für diese Unternehmungen sitzen müssen, um sich nicht unnötig in Gefahr zu begeben. Dafür wird man mit grandiosen Erlebnissen belohnt.
Mit Blog und Buch leitest du ja Leute auch in die Berge und machst bisher nur Kennern und Könnern zugängliche und auch schwierige Wege bekannt. Hast du in Zeiten von Influencern & Co. nicht ein bisschen Gewissenbisse bzw. die Sorge, dass sich jemand verirrt, der hier nichts zu suchen hat?
Andreas: Nein, ehrlich gesagt nicht. Sonst hätte ich es nicht gemacht. Ich denke, dass die Zielgruppe, die das Buch erreichen soll, eher spitz ist und ich glaube nicht, dass der Ich-fahre-dreimal-im-Jahr-in-die-Berge-damit-ich-ein-neues-Profilbild-habe-Münchener (sorry, aber ich war mal selber einer) dazu gehört. Dazu ist mein Credo: Wenn ich in die Berge gehe, bin ich für mein Tun und Handeln selbst verantwortlich. Selbst wenn ich am Seil eines Bergführers hänge, kann ich nicht irgendwelche Risiken eingehen, weil er mich im Zweifel schon retten wird. Ich versuche dazu auch immer einen möglichst objektiven Eindruck zu hinterlassen wie schwer diese oder jene Tour jetzt wirklich ist. Dass mir nach hunderten Touren ein schwieriger Gipfel leichter fällt als jemandem, der nur einmal im Jahr zum Wanderurlaub in den Bergen ist, ist klar. Aber ich denke doch, dass mir die Einschätzung immer noch ganz gut gelingt. Und es ist auch nicht so, dass ich es immer höher und immer schwieriger brauche. Ganz im Gegenteil ist es manchmal herrlich entspannend, mal eben zum Sonnenauf- oder Sonnenuntergang direkt von der Haustür weg und ohne große Schwierigkeiten auf einen der oft einfachen Chiemgauer Gipfel zu gehen.
Du wohnst mittlerweile mit deiner Familie in Sachrang, einem Bergsteigerdorf. Wie empfindest du die aktuelle Nach-Corona-Zeit und den Andrang auf die Berge? Ist das für dich spürbar, wie wirkt sich das z.B. in Sachrang aus?
Andreas: Wir merken den Andrang in der Nach-Corona-Zeit auf jeden Fall, aber es ist nicht so, dass das vorher nicht auch schon so war. An schönen Wochenenden sind die Wanderparkplätze schon immer voll gewesen. Als Anwohner ist mir der Verkehr aber mehr und mehr ein Dorn im Auge. Klar, die Berge sind für alle da, aber der Sinn von Blechlawinen und durchs Tal – das umgeben von Naturschutzgebieten mit einem hohen Wildbestand ist – heulendem Motorradlärm wird sich mir nicht erschließen. Wobei es gar nicht Ausflügler und Wanderer sind, die mich persönlich stören. Auf keinen Fall.
Vielmehr sind es LKWs und Autos, die versuchen durchs Priental abzukürzen, wenn es sich am Inntal Dreieck mal wieder staut. Oder die, die von der Kampenwandbahn in Aschau schnell noch nach Österreich zum Tanken fahren, um ein paar Cent zu sparen… Hier muss aber die Politik Lösungen finden. So gibt es seit Jahren zum Beispiel Gedankenspiele um eine Ringlinie rund um den Geigelstein. Mehrere Bürgermeister haben sich damit nun schon die Finger verbrannt. Dazu mischen mehrere Gemeinden und Landkreise mit. Da macht es der Förderalismus richtig schwer. Und so wird es wohl noch Ewigkeiten dauern bis man es schafft, den Durchgangs-, aber auch den Ausflugsverkehr durch eine lückenlose Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr zu reduzieren.
Dazu wäre es wünschenswert, wenn sich der Alpenverein, der den Titel “Bergsteigerdorf” ja verleiht und sich mit den Dörfern auch schmückt, noch mehr für die Belange der Orte einsetzen würde, denn das ist seit der Ernennung Sachrangs – zumindest gefühlt – auf der Strecke geblieben.
Aus deinem Blog und zugehöriger Fotografie ist ja auch deine aktuelle Tätigkeit entstanden…
Andreas: Jap, neben dem Schreiben habe ich immer schon gern fotografiert und bin da in den Jahren auch immer besser geworden. Seit einer Weile habe ich auch das Filmen für mich entdeckt und produziere heute mit meiner Firma Gipfelfieber Studio Imagefilme, Social Media Videos aber auch Werbespots. Meist auch mit dem Fokus auf Berge und Draußen.
In dieser besonderen Saison 2020: Was sind deine Tourenziele?
Andreas: Ich habe es vor kurzem zum ersten Mal geschafft, mein Kajak, was über drei Jahre ungenutzt in der Garage lag, auf dem Chiemsee mit meiner dreijährigen Tochter im Gepäck auszufahren. Vorher lag das Kajak bei meinem ehemaligen Nachbarn über 20 Jahre ebenfalls ungenutzt rum. Mehr geht 2020 ja schon kaum noch.
Dazu habe ich dieses Jahr aber schon früh ein paar sehr coole und einsame Touren gemacht. Mal schauen, wo es mich noch hin verschlägt. Ideen gibt es viele. Mit dem Verlag ist auch schon ein neues Projekt abgesprochen, wo ich noch ein wenig auf Recherche gehen muss. Es bleibt spannend.
Und: Was wäre dein Tipp für unsere Leser für die restliche Wandersaison?
Andreas: Geht raus. Genießt die Berge. Abstandhalten ist bei den “Vergessenen Steigen” in der Regel nicht notwendig, denn es gibt kaum andere Wanderer, auf die man trifft.
Danke für das kurze Interview! Das Buch „Vergessene Steige Bayerische Alpen“ gibt’s ab sofort für 19,99€ im gut sortieren Buchhandel und auf Amazon.de.
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